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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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ausgezogen sind. Eigentlich habe ich sie damals schon verloren, aber jetzt habe ich das Gefühl, sie ganz verloren zu haben, und seit sie weg sind, bin ich …«
    Plötzlich konnte er nicht mehr weitersprechen, konnte Sadie nicht sagen, dass er eigentlich gar nicht mehr wusste, was sein Leben noch für einen Sinn hatte – und dass er sich jeden Morgen, wenn er aufwachte, erst einmal mühsam aufraffen musste, der Welt ins Gesicht zu blicken.
    »Ich dachte, ich könnte die Lücke ein wenig füllen«, sagte er schließlich lahm, »um das alles irgendwie durchzustehen.«
    »Du wolltest die Lücke mit mir füllen?«
    »Ja, wahrscheinlich. Ich stehe irgendwie neben mir – als würde das alles einer anderen Person passieren und ich nur zusehen, so wie im Kino. Als ich an dem Morgen aufwachte und dich neben mir liegen sah, da war mir einfach … also, da wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte und ich noch nicht bereit bin für – weder für dich noch für irgendeine andere.«
    »Und das war’s?«
    »Ja.«
    »Das hättest du dir vorher überlegen sollen.«
    »Da hast du recht.«
    »Ich bin ein Mensch. Ich bin Sadie, eine Frau, die du immer als Freundin bezeichnet hast.«
    »Ich weiß.«
    »Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht. Das mit deinen Kindern ist sicher hart für dich.« Sie stand auf, obwohl sie ihren Tomatensaft noch nicht ausgetrunken hatte. »Danke, dass du nun doch noch ehrlich zu mir warst. Wenn du das nächste Mal Trost brauchst, dann ruf eine andere an.«
    Frieda traf kurz vor Sasha zu Hause ein. Sie rief Josef an, der sich bereit erklärte, sofort bei Olivia vorbeizuschauen und sowohl die Haustür als auch die Hintertür durch zusätzliche Riegel zu sichern. Am nächsten Morgen würde er dann sämtliche Schlösser austauschen. Anschließend rief Frieda Karlsson an, landete aber nur bei seiner Mailbox. Sie hinterließ keine Nachricht. Was hätte sie auch sagen sollen? »Ich fürchte, Dean Reeve war gestern Abend bei meiner Schwägerin im Haus.« Das würde er ihr nicht glauben. Sie wusste ja nicht mal, ob sie es selbst glaubte, aber schon bei der Vorstellung stieg Panik in ihr auf.
    Sasha tauchte kurz nach acht mit einer Tüte voll dampfendem indischem Essen auf. Sie trug ein locker fallendes orangefarbenes Kleid und hatte ihr Haar so gekämmt, dass es ihr Gesicht weich einrahmte. Frieda registrierte die rosig angehauchten Wangen und die leuchtenden Augen ihrer Freundin. Während diese ein paar Nan-Brote aus der feuchten braunen Tüte nahm und auf einen Teller legte, zündete Frieda Kerzen an und nahm eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank. Dabei ging ihr durch den Kopf, wie seltsam es doch war, dass sie ihre Anspannung und Angst selbst vor Sasha so geschickt verbergen konnte. Ihre Stimme klang gelassen, und auch ihre Hände wirkten ganz ruhig, während sie den Wein einschenkte.
    »Ist Chloë noch da?«
    »Ja, aber sie trifft sich heute Abend mit ihrem Vater, deswegen habe ich das Haus ausnahmsweise mal wieder für mich.«
    »Stört es dich sehr, dass sie hier ist?«
    »Ich glaube, mir blieb gar keine andere Wahl, als sie aufzunehmen.«
    »Das war nicht die Frage.«
    »Manchmal komme ich nach Hause«, antwortete Frieda, »und sie hat sich total ausgebreitet. Chaos, wohin du blickst. Überall liegt ihr Schulzeug herum. In der Spüle türmt sich schmutziges Geschirr. Gelegentlich sind auch noch Freunde von ihr da, ganz zu schweigen von Josef. Überall ist es laut und chaotisch, und es riecht sogar anders. Dann komme ich mir in meinem eigenen Haus vor wie ein Eindringling. Nichts ist mehr wie vorher. Oft würde ich am liebsten auf dem Absatz kehrtmachen und davonrennen.«
    »Wenigstens ist es bald wieder vorbei. Sie bleibt doch nur eine Woche, oder?«
    »So war es jedenfalls vereinbart. Das Essen sieht gut aus. Wein?«
    »Ein wenig, damit ich mit dir anstoßen kann.«
    Sie setzten sich einander gegenüber, und Frieda hob ihr Glas.
    »Also, schieß los.«
    Statt ihr eigenes Glas zu heben, strahlte Sasha ihre Freundin nur an.
    »Weißt du, Frieda, auf mich wirkt die ganze Welt plötzlich klarer und leuchtender. Ich merke, wie neue Energie durch meinen Körper strömt. Jeden Morgen wache ich auf und spüre den Frühling auch in mir. Ich weiß, dass du Angst hast, ich könnte wieder verletzt werden, aber du hast Frank ja kennengelernt. Er ist nicht so. Außerdem – gehört das nicht dazu, wenn man sich verliebt? Dass man sich öffnet für die Möglichkeit, Freude zu empfinden, aber auch verletzt

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