Schwarzer Mittwoch
geraten«, stellte sie fest. »Du musst für Ordnung sorgen, bevor Chloë zurückkommt.«
»Nicht alle Menschen haben so einen Ordnungsfimmel wie du. Das heißt aber nicht, dass ich nicht klarkomme.«
»Du siehst krank aus. Du hast den Nachmittag im Bett verbracht. Das Haus ist in einem schrecklichen Zustand. Chloë ist weg, und Kieran auch, wenn ich richtig informiert bin.«
»Dieser Trottel. Ich mag ja zu ihm gesagt haben, dass er verschwinden soll, aber ich hätte nie gedacht, dass er mich beim Wort nimmt.«
»Wie viel trinkst du?«
»Du kannst mir nicht befehlen, wie ich mein Leben zu leben habe.«
»Chloë befindet sich in meinem Haus, und wir müssen darüber sprechen, wie lange sie dort bleiben soll und wann du bereit sein wirst für ihre Rückkehr. Im Moment kann sie jedenfalls nicht nach Hause.«
»Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte.«
»Olivia, sie ist noch ein Kind. Sie braucht Grenzen, und sie braucht Ordnung.«
»Ich habe ja gewusst, dass du bloß gekommen bist, um mir vorzuwerfen, was für eine Rabenmutter ich bin.«
»Ich sage doch nur, dass Chloë jemanden braucht, der sie morgens aufweckt und abends mit ihr spricht. Sie braucht eine saubere Küche, Essen im Kühlschrank, einen Raum, wo sie ihre Hausaufgaben machen kann, und so etwas wie Stabilität.«
»Und was ist mit mir? Wen interessiert es, was ich brauche?«
Eine Weile lang herrschte im Raum Schweigen. Olivia trank ihren Tee, während Frieda Teller und Pfannen stapelte und Mülltüten in die Diele hinaustrug. Nach einer Weile meldete Olivia sich mit schwacher Stimme zu Wort.
»Hasst sie mich jetzt?«
»Nein, aber sie ist wütend und fühlt sich vernachlässigt.«
»Ich wollte sie nicht schlagen, und Kieran wollte ich auch nicht rauswerfen. Es ging mir nur so erbärmlich, dass ich einfach nicht mehr klar denken konnte.«
»Und vielleicht hattest du auch zu viel getrunken.«
»Du klingst wie eine hängen gebliebene Schallplatte.«
Frieda sparte sich einen Kommentar. Nach ein paar Augenblicken des Schweigens sprach Olivia weiter.
»Ich kann mich selber hören, wenn ich diese fürchterlichen Dinge sage. Ich höre mich mit kreischender Stimme üble Beschimpfungen ausstoßen. Trotzdem kann ich mich irgendwie nicht am Riemen reißen – obwohl ich genau weiß, dass ich es später dann bereue.«
Frieda betrachtete ihre Schwägerin einen Moment, ehe sie mit einem Scheuerschwamm die Pfannen in Angriff nahm. Sie fühlte sich schrecklich müde. Das Chaos in Olivias Leben machte sie fertig.
»Du musst dein Leben endlich in den Griff bekommen«, erklärte sie.
»Leichter gesagt als getan. Wo soll ich denn da anfangen?«
»Mach eins nach dem anderen. Räume erst einmal das ganze Haus auf, vom Dachboden bis in den Keller. Trinke ein bisschen weniger oder einfach gar nichts. Vielleicht geht es dir allein dadurch schon besser. Wasch dir die Haare und jäte den Garten.«
»Sagst du das auch zu deinen Patienten? Wasch dir die Haare und jäte den gottverdammten Garten?«
»Manchmal.«
»Ich habe mir mein Leben irgendwie anders vorgestellt.«
»Ja, aber ich glaube …«, begann Frieda.
»Der Typ hat schon recht, wir brauchen alle ein bisschen Liebe.«
»Was für ein Typ?«
»Ach, nur irgendein Mann.« Olivia klang plötzlich viel munterer. »Das Ganze war ehrlich gesagt ein bisschen peinlich. Ich habe ihn gestern Abend kennengelernt, als es mir gerade nicht so gut ging. Ich war so aufgewühlt wegen des ganzen Schlamassels, deswegen bin ich in dieses nette Weinlokal gegangen und habe mir ein paar Gläser hinter die Binde gegossen. Als ich gerade wieder nach Hause gehen wollte, bin ich dem Kerl in die Arme gelaufen.« Sie stieß ein spitzes kleines Lachen aus, das halb beschämt, halb aufgeregt klang. »Es heißt ja, bei Fremden findet man manchmal mehr Trost als bei den eigenen Freunden.«
»Wie ging es dann weiter? Was ist passiert?«
»Passiert? So war das nicht, Frieda. Du brauchst mich gar nicht so anzusehen. Ich bin auf der Straße gestolpert, und er war zur Stelle. Mein barmherziger Samariter. Er hat mir aufgeholfen und mir den Straßenstaub von den Klamotten geklopft, und dann hat er mich sogar nach Hause begleitet.«
»Wie nett von ihm«, meinte Frieda trocken. »Wollte er noch auf einen Sprung hineinkommen?«
»Ich konnte ihm doch nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Wir haben ein Glas Wein miteinander getrunken, und danach ist er wieder gegangen.«
»Gut.«
»Er scheint dich zu kennen.«
»Mich?«
»Ja.
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