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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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auf die freie Hand des Mädchens, woraufhin Dora den Kopf auf den Tisch sinken ließ und zu weinen begann. Erst zitterten nur ihre schmalen Schultern, doch dann zuckte plötzlich ihr ganzer abgemagerter Körper.
    »Ach, du meine Güte«, sagte Sasha, »du armes kleines Ding.« Sie ging neben Dora in die Knie und nahm das Mädchen in den Arm. Nach ein paar Sekunden wandte Dora sich ihr zu, presste ihr tränennasses Gesicht an Sashas Schulter und klammerte sich an sie wie eine Ertrinkende.
    Judith betrachtete die beiden mit ausdrucksloser Miene.
    »Kann ich mit Ihnen sprechen?«, zischte sie zu Frieda hinüber, während ihre Schwester laut schluchzte.
    »Natürlich.«
    »Da draußen.« Judith machte eine Kopfbewegung in Richtung Garten.
    Frieda erhob sich und steuerte auf die Hintertür zu. Draußen war die Luft nach dem warmen Tag noch angenehm lau. Frieda konnte die Kräuter riechen, die sie in kleine Blechwannen gepflanzt hatte.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Judith sah sie einen Moment an, dann wandte sie den Blick wieder ab. Sie wirkte plötzlich viel älter, als sie war, zugleich aber auch jünger: eine Erwachsene und ein Kind in einer Person. Frieda wartete. Ihr Curry würde zu einer öligen Masse erstarren.
    »Ich fühle mich nicht besonders«, erklärte Judith.
    Es war, als würde die Luft um sie herum merklich kühler. Frieda wusste, was Judith gleich sagen würde – etwas, das sie eigentlich mit ihrer Mutter besprechen sollte.
    »Inwiefern?«, fragte sie.
    »Mir ist immer ein bisschen schlecht.«
    »Vor allem morgens?«
    »Ja, vor allem.«
    »Bist du schwanger, Judith?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht.« Ihre Stimme war nur noch ein Murmeln.
    »Hast du schon einen Test gemacht?«
    »Nein.«
    »Das solltest du so bald wie möglich tun. Sie sind sehr verlässlich.« Sie versuchte, aus der Miene des Mädchens schlau zu werden. »Man bekommt sie in jeder Apotheke«, fügte sie hinzu.
    »Ich weiß.«
    »Aber du traust dich keinen zu machen, weil du Angst hast vor der Gewissheit.«
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Mal angenommen, du bist tatsächlich schwanger – weißt du, in welchem Monat du dann schon bist?«
    Judith zuckte mit den Achseln. »Ich bin erst ein paar Tage drüber.«
    »Warst du mit dem Mann nur ein einziges Mal zusammen?«
    »Nein.«
    »Du hast einen Freund.«
    »Wenn man das so nennen kann.«
    »Hast du es ihm schon gesagt?«
    »Nein.«
    »Deinem Vater auch nicht?«
    Sie stieß wieder dieses verächtliche, schnaubende Lachen aus. Es klang zugleich höhnisch und unglücklich. »Nein!«
    »Hör zu. Finde zuerst einmal heraus, ob du schwanger bist, und falls ja, musst du entscheiden, was du machen willst. Es gibt Leute, mit denen du reden kannst. Du musst dich nicht allein damit herumschlagen. Hast du noch andere Erwachsene, mit denen du sprechen könntest? Jemanden aus deiner Verwandtschaft oder eine Lehrerin?«
    »Nein.«
    Frieda schloss kurz die Augen. Sie musste erst verdauen, dass die ganze Last nun auf ihr ruhte.
    »Also gut. Du kannst den Test hier machen, wenn du möchtest, und dann sprechen wir darüber.«
    »Wirklich?«
    »Wirklich.«
    »Trotzdem solltest du vielleicht mal überlegen, ob du nicht doch auch mit deinem Vater reden möchtest.«
    »Sie verstehen das nicht.«
    »Womöglich reagiert er gar nicht so, wie du glaubst.«
    »Ich bin sein kleines Mädchen. Wenn es nach ihm ginge, dürfte ich mich noch nicht mal schminken! Ich weiß genau, wie er reagieren wird. Erst stirbt Mum, dann der ganze Stress mit der Polizei, und jetzt auch noch das. Das wird ihn umbringen. Und Zach …« Sie brach ab und schnitt eine Grimasse. Ihrem kleinen Gesicht war deutlich anzusehen, wie aufgewühlt sie war.
    »Ist Zach dein Freund?«
    »Er wird stinksauer auf mich sein.«
    »Warum? Es gehören schließlich immer zwei dazu, und mit den Folgen musst hauptsächlich du dich herumschlagen.«
    »Eigentlich sollte ich die Pille nehmen. Ich nehme sie ja auch, ich habe sie nur eine Weile vergessen.«
    »Ist Zach ein Mitschüler von dir?«
    Sie zog ein Gesicht.
    »Was heißt das?«
    »Es heißt, nein.«
    Frieda starrte sie an, und Judith erwiderte ihren Blick.
    »Wie alt ist Zach?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    »Judith?«
    »Achtundzwanzig.«
    »Verstehe. Und du bist erst fünfzehn. Das ist ein ziemlich großer Altersunterschied.«
    »Danke, rechnen kann ich selbst.«
    »Du bist noch minderjährig.«
    »Das ist doch bloß eine blöde Regel, aufgestellt von alten Leuten, die verhindern wollen, dass die

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