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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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der Tasche und versuchte zwanzig Minuten lang, eine Zeichnung von den großen Platanen in Lincoln’s Inn Field anzufertigen, bekam sie aber nicht richtig hin. Sie beschloss, die Grünanlage bald wieder aufzusuchen und die Bäume vor Ort auf Papier zu bannen. Sie verstaute den Block und sah sich im Café um. An einem Tisch neben der Tür saß ein Paar. Der Mann fing ihren Blick auf und musterte sie so feindselig, dass sie von da an nur noch vor sich hin starrte. Eine Berührung am Arm ließ sie hochfahren. Es war Josef.
    »Ist schon eine Stunde rum?«, fragte sie überrascht.
    Er warf einen Blick auf ihr Telefon, ehe er es ihr zurückgab.
    »Anderthalb Stunden«, antwortete er.
    »Was ist passiert? Hast du etwas herausgefunden?«
    »Nicht hier. Lass uns in ein Pub gehen«, schlug Josef vor, »da kannst du mich auf einen Drink einladen.«
    Sie fanden ein Pub und steuerten schweigend darauf zu. Drinnen war es ziemlich laut. Der Lärm kam von einem Spielautomaten, um den sich ein paar Jungs im Teenageralter scharten.
    »Was möchtest du?«, fragte Frieda.
    »Wodka. Einen großen Wodka. Und Zigaretten.«
    Frieda bestellte einen doppelten Wodka, eine Packung Zigaretten und eine Schachtel Zündholzer und für sich ein Glas Leitungswasser.
    »Warm wie Badewasser«, erklärte Josef mit missbilligender Miene, nachdem er sein Getränk entgegengenommen hatte. »Aber budmo .«
    »Was?«
    »Das heißt, wir werden ewig leben.«
    »Werden wir nicht, das weißt du ganz genau.«
    Josef betrachtete sie ernst.
    »Ich glaube, du schon«, erwiderte er, woraufhin er sein Wodkaglas in einem Zug leerte.
    »Darf ich dir noch einen bestellen?«, fragte sie.
    »Jetzt gehen wir erst einmal vor die Tür, eine Zigarette rauchen.«
    Sie traten hinaus auf den Gehsteig, wo Josef sich einen Glimmstängel anzündete und tief inhalierte. Frieda dachte an lange zurückliegende Zeiten, mittags vor dem Schultor. Josef hielt ihr die Schachtel hin, doch sie lehnte dankend ab.
    »Und?«, fragte sie.
    Er schüttelte traurig den Kopf.
    »Ich habe mit vier Frauen gesprochen. Eine stammte aus Afrika, ich glaube, aus Somalia. Sie hat noch viel schlechter Englisch gesprochen als ich. Ich habe nur wenig verstanden. Ihr Mann war auch da. Er wollte mehr als zwanzig für sie, viel mehr. Er ist wütend geworden.«
    »Ach, du lieber Himmel, Josef! Was ist passiert?«
    »Das ist normal. Ich habe es ihm erklärt.«
    »Er hätte bewaffnet sein können.«
    »Das wäre ein Problem gewesen. Aber er hatte keine Waffe. Ich habe es ihm dargelegt, dann bin ich gegangen. Hat aber nichts gebracht. Dann war ich bei einem Mädchen aus Russland und dann bei einer, von der ich nicht weiß, aus welchem Land sie kam. Vielleicht Rumänien. Die letzte Frau, die ich aufsuchte … von der ich jetzt komme … sie musste nur ein paar Worte sagen, da hatte ich schon einen starken Verdacht und habe sie auf Ukrainisch angesprochen. Sie bekam einen großen Schreck.« Obwohl er lächelte, war ein harter Ausdruck in seine Augen getreten.
    »Josef, es tut mir so leid.«
    Er drückte seine Zigarette an der Pubwand aus und zündete sich gleich eine neue an.
    »Ach, das ist keine große Sache. Vielleicht hast du erwartet, dass ich klage: Oh, ein kleines Mädchen aus meinem eigenen Dorf! Aber ich bin kein Kind, Frieda. Aus meinem Land kommen nicht nur Klempner und Friseure nach England.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Ich finde auch nicht, dass es ein guter Job ist. Ich habe ihre Wohnung gesehen, sie war schmutzig und feucht, und ich habe Anzeichen für Drogen bemerkt. Das ist nicht gut.«
    »Möchtest du, dass wir etwas unternehmen, um ihr zu helfen?«
    »Ach«, sagte er wieder, diesmal in resigniertem Ton. »Man fängt irgendwo an, und es nimmt kein Ende. Ich kenne das. Es ist schlimm, so was zu sehen, aber ich weiß darüber Bescheid.«
    »Ich hätte das alles selber machen sollen. Es ist mein Problem, nicht deines.«
    Josef musterte Frieda besorgt und schüttelte dann den Kopf.
    »Das wäre jetzt nichts für dich«, erklärte er. »Dir geht es nicht gut. Wir sind beide traurig wegen ihr, wegen Mary, aber du bist auch noch verletzt worden. Das ist noch nicht ganz verheilt.«
    »Es geht mir gut.«
    Josef stieß ein Lachen aus.
    »Das sagen alle, aber es bedeutet gar nichts. ›Wie geht es dir?‹ ›Es geht mir gut.‹«
    »Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass du dir meinetwegen keine Sorgen zu machen brauchst. Außerdem möchte ich mich bei dir entschuldigen, weil ich deine

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