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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Sie Jude fragen.«
    »Sind Sie noch mit ihr zusammen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Nein. Das ist die Wahrheit.« Einen Moment lang schien seine Maske zu verrutschen. »Sie konnte es nicht mehr ertragen, mich anzufassen. Sie wollte sich nicht mal mehr von mir in den Arm nehmen lassen. Ich glaube, sie fühlt sich für das Ganze verantwortlich. Ergibt das für Sie einen Sinn?«
    »Ja.«
    »Was wohl irgendwie bedeutet, dass auch ich verantwortlich bin.«
    »Verstehe.«
    »Natürlich nicht wirklich«, fügte er eilig hinzu.
    »Nein.«
    »Im Grunde fürchte ich, dass es vorbei ist. Sie sollten sich also freuen. Ich bin wieder ein gesetzestreuer Bürger.«
    »Das würde ich nicht unbedingt sagen«, meinte Yvette.
    An dem Abend hörte Russell Lennox es unten klingeln. Er ging davon aus, dass jemand anderer aufmachen würde, aber Ted war nicht da und Judith offenbar auch nicht. Ihm ging durch den Kopf, dass er eigentlich wissen sollte, wo sie sich aufhielt. Ruth hätte es gewusst, dachte er. Dora war in ihrem Zimmer und lag schon im Bett. Louise Weller befand sich ausnahmsweise bei ihrer eigenen Familie und war nicht wie sonst mit Staubsaugen oder Backen beschäftigt, ihr bescheuertes Baby um den Leib gebunden. Als es unten erneut klingelte, stapfte Russell seufzend die Treppe hinunter.
    Vor ihm stand eine Frau, die er nicht kannte. Sie stellte sich ihm auch nicht gleich vor, sondern starrte ihn nur an, als wäre sie auf der Suche nach jemandem. Sie war groß und grobknochig. Ihr langes Haar war zu einem lockeren Knoten geschlungen, und um ihren Hals hing eine Kordel mit einer Brille. Sie trug einen langen Patchworkrock, dessen Saum ein wenig Schmutz von der Straße abbekommen hatte.
    »Ich dachte, ich sollte mal vorbeischauen.«
    »Sie müssen entschuldigen, aber … wer sind Sie?«
    Statt einer Antwort hob sie nur die Augenbrauen, als würde seine Frage sie amüsieren.
    »Sie sollten mich eigentlich erkennen«, erklärte sie schließlich. »Immerhin sind wir so was wie Leidensgefährten.«
    »Oh! Soll das heißen, Sie sind …«
    »Elaine Kerrigan«, bestätigte sie und streckte gleichzeitig ihre lange, schlanke Hand aus, die Russell verlegen ergriff und dann irgendwie nicht mehr loslassen konnte.
    »Aber warum sind Sie hier?«, fragte er. »Was wollen Sie?«
    »Was ich will? Sie sehen, vermutlich. Herausfinden, wie Sie aussehen, meine ich.«
    »Und? Wie sehe ich aus?«
    »Ziemlich fertig«, antwortete sie. Russell traten plötzlich Tränen in die Augen.
    »Das bin ich tatsächlich.«
    »Aber eigentlich bin ich gekommen, um Ihnen zu danken.«
    »Zu danken! Wofür?«
    »Dafür, dass Sie meinen Mann verdroschen haben.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«
    »Sie haben ihm ein wunderschönes blaues Auge verpasst.«
    »Da liegen Sie falsch.«
    »Und eine dicke Lippe, so dass er nicht mehr richtig sprechen kann und ich mir seine Lügen nicht mehr anhören muss.«
    »Misses Kerrigan …«
    »Elaine. Sie haben getan, was ich am liebsten selbst getan hätte. Dafür bin ich Ihnen dankbar.«
    Einen Moment sah es so aus, als wollte Russell erneut protestieren, doch dann hellte sich seine Miene plötzlich auf, und er lächelte.
    »Es war mir ein Vergnügen«, sagte er. »Kommen Sie doch herein. Wahrscheinlich sind Sie der einzige Mensch auf der Welt, mit dem ich jetzt sprechen möchte.«

40
    D ieses Mal brauchte Frieda nicht zu klingeln, denn Lawrence Dawes stand vor seinem Haus auf einer Leiter, die von einem anderen Mann gehalten wurde. Als Frieda grüßte, wandte Dawes den Kopf, lächelte sie an und stieg vorsichtig herunter.
    »Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich habe Ihren Namen vergessen.«
    Nachdem Frieda sich erneut vorgestellt hatte, nickte er.
    »Ich habe ein schrecklich schlechtes Namengedächtnis. Sie müssen entschuldigen. Ansonsten erinnere ich mich klar und deutlich an Ihren Besuch. Das hier ist mein Freund Gerry. Wir helfen uns immer gegenseitig bei der Gartenarbeit, und hinterher feiern wir mit einem Drink. Gerry, diese Dame ist Psychiaterin, also pass auf, was du sagst.«
    Gerry war etwa in Dawes’ Alter, sah aber völlig anders aus. Er trug karierte Shorts, die ihm bis zu den Knien reichten, und darüber ein Kurzarmhemd, das ebenfalls kariert war, allerdings anders, so dass einem bei Gerrys Anblick vor lauter Karos fast schwindlig wurde. Seine dünnen, sehr braunen Arme und Beine wirkten drahtig. Er hatte einen kleinen grauen Oberlippenbart, der nicht ganz gleichmäßig

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