Schwarzer Mittwoch
sagen, dass solche Fantasien nicht sehr heilsam sind – nicht sehr therapeutisch .« Er betonte das letzte Wort, als hätte es etwas Abstoßendes an sich. »Oder wie denkst du darüber?«
»Ich denke, es wäre eine bessere Rachefantasie, wenn du Bradshaw vor dem Ertrinken retten würdest oder seine Blutung stillen. Außerdem denke ich, dass du schon zu viel Wein intus hast und heute nicht der richtige Abend für solche Themen ist.«
»Deine Vorstellung von Rache klingt aber nicht nach Spaß«, meinte Reuben.
»Nein«, stimmte Ted ein. An seinen Wangen leuchteten inzwischen hektische rote Flecken, und seine Augen funkelten. »Das klingt überhaupt nicht nach Spaß. Rache sollte blutig sein.«
»Stillen?«, wiederholte Josef etwas zeitverzögert. Frieda kam zu dem Schluss, dass er ebenfalls betrunken war.
»Ich habe mir mit Josef einen echten Racheplan überlegt«, verkündete Reuben.
Frieda sah Josef an, der sich gerade wieder eine Gabel voll in den Mund geschoben hatte. Eilig kaute und schluckte er.
»Nur überlegt«, stieß er in beschwichtigendem Ton hervor. »Wir haben nur geredet.«
»Leute vom Bau wissen, was in solchen Fällen zu tun ist«, erklärte Reuben, der offenbar nicht merkte, was für eine trübe und angespannte Stimmung im Raum herrschte, obwohl diese Spannung fast greifbar war. »Für Josef ist es kein Problem, sich Zutritt zu einem Haus zu verschaffen. Man kann beispielsweise Shrimps in den Vorhangstangen und hinter den Heizkörpern verstecken. Wenn sie zu verrotten anfangen, haut einen der Gestank fast um. Bradshaw wird es in seinem eigenen Haus nicht mehr aushalten. Oder man geht noch raffinierter vor. Man kann zum Beispiel auch eine Wasserrohrverbindung unter den Bodendielen lockern – nur ein ganz klein wenig, so dass es ein bisschen tröpfelt. Damit lässt sich ein ganz schöner Schaden anrichten.«
»Geniale Idee.« Teds Stimme klang laut und barsch, und seine Augen glitzerten gefährlich.
»Du sprichst jetzt aber nur von einer Fantasie«, mischte Frieda sich ein, »oder?«
»Ich könnte noch viel schlimmere Sachen machen«, fuhr Reuben fort. »Ich könnte die Bremsen seines Wagens manipulieren – mit Josefs Hilfe natürlich. Oder sein Büro abfackeln. Oder seine Frau bedrohen.«
»Dafür würdest du ins Gefängnis wandern. Josef käme auch ins Gefängnis, und hinterher würde er abgeschoben.«
Reuben machte eine weitere Flasche Wein auf und begann nachzuschenken.
»Ich bringe jetzt Dora ins Bett«, sagte Frieda, »und wenn ich zurückkomme, solltet ihr allmählich aufbrechen. Für dich und Josef wird es Zeit, nach Hause zu gehen.«
»Ich möchte noch einen Nachschlag«, entgegnete Reuben. »Du auch, Ted?«
»Reuben, es reicht.«
Doch als sie ein paar Minuten später in den Raum zurückkehrte, fing Reuben von Neuem an. Sie wusste aus Erfahrung, wie er sein konnte, wenn er sich in einer solchen Stimmung befand: gereizt und gefährlich wie ein verletzter Kampfstier.
»Ich finde deine Einstellung zu diesem Thema ein bisschen bigott, Frieda. Ich bin für Rache. Meiner Meinung nach tut es einem gut, wenn man sich rächt. Ich möchte, dass jetzt der Reihe nach jeder hier am Tisch sagt, an welcher Person er gerne Rache nehmen würde und wie diese Rache aussehen sollte. Ich habe bereits Hal Bradshaw genannt. Am liebsten wäre es mir, er wäre bis in alle Ewigkeit nackt auf einem Berggipfel festgebunden, und jeden Tag käme ein Geier und fräße an seiner Leber.« Er setzte ein teuflisches Grinsen auf. »Oder sonst was.«
»Aber wenn davon irgendwann nichts mehr übrig wäre?«, fragte Chloë.
»Das Organ würde jeden Tag nachwachsen. Und was für Rachegelüste hast du?«
»Als ich neun war, bekam ich in der Schule Probleme mit einem Mädchen namens Cath Winstanley. In der vierten Klasse und auch noch die halbe fünfte versuchte sie jeden Tag, die anderen davon abzubringen, mit mir zu sprechen oder zu spielen. Und immer wenn wir eine neue Mitschülerin bekamen, freundete Cath sich sofort mit ihr an, damit sie ja nicht mit mir spielte.«
»Davon weiß ich gar nichts«, bemerkte Frieda.
»Mum wusste Bescheid. Sie hat bloß gesagt, das gebe sich schon wieder. So war es dann ja auch … irgendwann.«
»Was würdest du diesem Mädchen gerne antun?«, fragte Reuben. »Du darfst mit ihr anstellen, was du willst. Es ist ja eine Fantasierache.«
»Ich würde mir nur wünschen, dass sie durchmachen müsste, was ich durchgemacht habe«, antwortete Chloë. »Am Ende würde ich dann aus
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