Schwarzer Mittwoch
einer Rauchwolke auftauchen und sagen: ›So war das für mich.‹«
»Genau so sollte Rache sein«, stellte Frieda leise fest.
»Auf jeden Fall hast du es überlebt«, meinte Reuben. »Was ist mit dir, Josef?«
Josef lächelte traurig.
»Ich nenne ihn nicht beim Namen. Den Mann, der mit meiner Frau zusammen ist. Den möchte ich bestrafen.«
»Großartig«, sagte Reuben. »Welche Strafen würdest du dir für ihn ausdenken? Etwas Mittelalterliches?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Josef. »Vielleicht, dass meine Frau zu ihm auch so ist wie zu mir. Mir fällt das richtige Wort nicht ein. Wie nennt man das, wenn jemand immer auf einen einredet?«
»Nörgeln«, antwortete Reuben.
»Genau. Nörgeln.«
»Herrgott noch mal, Reuben!«, mischte Frieda sich ein. »Josef!«
»Was hast du für ein Problem?«, fragte Josef.
»Ach, vergiss es!«
»Was ist mit dir, Ted? Wenn du denjenigen in die Finger bekämst, der deine Mutter ermordet hat, was würdest du mit ihm anstellen? Der Gedanke beschäftigt dich doch bestimmt.«
»Jetzt aber raus mit euch, ab nach Hause!«, mischte Frieda sich ein.
»Nein!«, sagte Ted so laut, dass es fast wie ein Aufschrei klang. »Natürlich denke ich darüber nach. Wenn ich den in die Finger bekäme, der meine Mutter ermordet hat, dann würde ich … dann würde ich …« Er warf einen Blick in die Runde. Frieda sah, wie er die Hand, die er um den Stiel seines Weinglases gelegt hatte, zur Faust ballte. »Ich hasse ihn«, sagte er schließlich leise. »Was macht man mit einem Menschen, den man hasst?«
»Ist schon gut, Ted«, sagte Chloë. Sie versuchte, die Hand zu fassen zu bekommen, mit der er so krampfhaft sein Weinglas umklammert hielt.
»Nur zu, mein Junge«, ermunterte Reuben ihn, »lass es raus! So ist es richtig. Und jetzt zu dir Frieda. Wer soll das Ziel deiner unerbittlichen Rache sein?«
Frieda sah ihm direkt ins Gesicht. Übelkeit stieg in ihr auf. Sie hatte das Gefühl, am Rand eines Abgrunds zu stehen – nur noch mit den Fersen auf dem Boden, während ihre Zehen bereits in die Dunkelheit hinausragten –, und sie spürte die Versuchung, diese unaufhörliche Versuchung, sich in die schwarze Tiefe fallen zu lassen … Doch was würde dort auf sie warten?
»Nein«, wehrte sie ab, »ich bin nicht gut in solchen Spielen.«
»Ach, komm schon, Frieda, wir spielen doch nicht Monopoly.«
Aber Friedas Miene verhärtete sich, und Reuben ließ es sein.
»Die Badewanne«, sagte Josef und versuchte auf seine etwas ungeschickte Weise alles wiedergutzumachen, »ist sie in Ordnung?«
»Sie ist wunderbar, Josef. Das Warten hat sich wirklich gelohnt.« Sie brachte es nicht übers Herz, ihm zu sagen, dass sie die Wanne noch gar nicht benutzt hatte.
»Endlich habe ich es geschafft, dir zu helfen.« Schwankend erhob er sich.
Irgendwann hatten die beiden dann endlich das Haus verlassen. Die milde Frühlingsdämmerung ging allmählich in die Nacht über. Mittlerweile hatte der Wind alle Wolken weggeblasen, und über den Dächern war der Hauch einer Mondsichel zu erkennen. Drinnen aber herrschte immer noch eine angespannte, angstvolle Atmosphäre. Selbst Chloë, die anfangs noch so munter gewesen war, wirkte inzwischen bedrückt. Nachdem Judith die Haustür ins Schloss fallen gehört hatte, war sie wieder heruntergekommen und hatte sich im Wohnzimmer auf einen Sessel sinken lassen. Dort saß sie nun mit angezogenen Beinen, den Kopf auf den Knien. Ihr Haar stand in alle Richtungen ab. Wenn jemand sie ansprach und zu trösten versuchte, schüttelte sie nur heftig den Kopf. Dora lag in Friedas Arbeitszimmer auf einem Campingbett. Neben sich hatte sie eine Tasse Kakao stehen, der schon so weit abgekühlt war, dass sich oben eine runzelige Milchhaut gebildet hatte. Sie spielte gerade irgendein Computerspiel auf ihrem Handy. Ihre dünnen Zöpfe fielen ihr ins Gesicht. Frieda nahm neben ihr Platz, ohne etwas zu sagen. Nach ein paar Augenblicken wandte das Mädchen den Kopf und erklärte in fast trotzigem Ton: »Ich weiß das mit Judith und dem älteren Mann.«
»Seit wann denn?«
»Vor ein paar Tagen, als Dad betrunken war, habe ich gehört, wie er Tante Louise deswegen angeschrien hat. Wird es Judith bald wieder besser gehen?«
»Ja, aber es wird eine Weile dauern.«
»Hat Dad …?«
»Ich weiß es nicht.«
Frieda ging hinunter. Draußen auf der Terrasse tigerte Ted nervös auf und ab. Er rauchte, und sein wirrer Haarschopf war von überdimensionalen Kopfhörern umschlossen. Keines
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