Schwarzer Mittwoch
luftlosen Haus saßen, während ihr Vater weggesperrt war, und nun auch noch ihr Bruder – dieser junge, von Entsetzen geplagte Mann. Sie alle waren allein, jeder mit seinem eigenen Grauen und Kummer.
Schließlich erreichten sie ihr Ziel. Ted ließ Friedas Arm los. Er hatte inzwischen Schweißtropfen auf der Stirn und wirkte benommen.
Frieda legte ihm eine Hand auf den Rücken.
»Da wären wir«, sagte sie. Zusammen gingen sie hinein.
Karlsson war gerade in den Raum zurückgekehrt, in dem Russell Lennox saß, als Yvette den Kopf durch die Tür streckte und ihren Chef wieder herauswinkte.
»Was ist?«
»Ich dachte, Sie sollten das sofort erfahren: Frieda ist hier, mit dem Lennox-Jungen.«
»Mit Ted?«
»Ja. Laut Frieda hat er Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.«
»Gut. Sagen Sie den beiden, ich komme gleich.«
»Und Elaine Kerrigan besteht immer noch darauf, dass sie es war.«
Karlsson kehrte in den Verhörraum zurück.
»Ich bin gleich wieder bei Ihnen«, wandte er sich an Russell Lennox, »aber so wie es aussieht, möchte Ihr Sohn mit mir sprechen.«
»Mein Sohn? Ted? Nein. Nein, das kann nicht sein. Nein …«
»Mister Lennox, was ist denn?«
»Ich war es. Ich werde Ihnen alles genau erzählen. Ich habe meine Frau getötet. Ich habe Ruth umgebracht. Setzen Sie sich. Schalten Sie den Kassettenrekorder ein. Ich möchte ein Geständnis ablegen. Gehen Sie nicht. Ich habe das getan, niemand sonst. Ich war es. Sie müssen mir glauben. Ich habe meine Frau ermordet. Ich schwöre bei Gott, dass ich es war.«
Ted hob den Kopf und sah Karlsson direkt ins Gesicht. Zum ersten Mal erlebte Karlsson den Jungen ganz ruhig und voller Konzentration auf ein Ziel ausgerichtet. Ted holte tief Luft und verkündete dann mit klarer, eindringlicher Stimme: »Ich bin hier, um den Mord an meiner Mutter zu gestehen – die ich sehr geliebt habe …«
58
A ls Frieda zurückkehrte, saßen Josef und Chloë bei ihr in der Küche und waren mit einem Kartenspiel beschäftigt, bei dem es unter anderem darum ging, viel zu schreien und immer wieder eine Karte auf die andere zu klatschen. Während Frieda krampfhaft überlegte, wie sie ihrer Nichte die schlechte Nachricht mitteilen sollte, fand sie dennoch ein wenig Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wieso Chloë bei ihr im Haus war statt in der Schule, und wie dieses Haus, das ihr einst sichere Zuflucht vor der Welt gewährt hatte, zu einem zwanglosen Treffpunkt für jedermann hatte werden können, zu einem Ort der Unordnung und des Kummers. Vielleicht, dachte sie, würde sie sämtliche Schlösser austauschen lassen, wenn alles vorbei war. Sie sah Josef an.
»Könnten Chloë und ich kurz unter vier Augen sprechen?«, fragte sie.
Josef starrte sie verwirrt an.
»Vier Augen?«
»Ja«, erwiderte Frieda. »Könntest du einen Moment den Raum verlassen?«
»Ja, natürlich«, antwortete Josef. »Ich fahre jetzt sowieso zu Reuben – Poker für die Jungs.« Mit diesen Worten nahm er den Kater von seinem Schoß, drückte ihn an seine breite Brust und verzog sich mit ihm nach draußen.
Während Frieda es Chloë sagte, huschte eine schnelle Abfolge von Emotionen über das bleiche Gesicht des jungen Mädchens: Verwirrung, Schock, Kummer, Fassungslosigkeit, Wut. Als Frieda fertig war, trat zuerst einmal Stille ein. Chloës Blick flackerte hin und her.
»Hast du noch irgendwelche Fragen?«, brach Frieda schließlich das Schweigen.
»Wo ist er?«
»Auf dem Polizeipräsidium.«
»In einer Zelle?«
»Das weiß ich nicht. Sie werden seine Aussage aufnehmen, ihn dann aber vermutlich gleich in Untersuchungshaft behalten.«
»Er ist doch noch ein Kind.«
»Ted ist achtzehn. Er gilt als Erwachsener.«
Wieder herrschte Schweigen. Frieda sah, dass Chloës Augen zu funkeln begannen.
»Los, raus damit«, sagte sie.
»Du solltest eigentlich auf ihn aufpassen.«
»Ich glaube, ich habe auf ihn aufgepasst.«
»Wie meinst du das?«
»Er musste sich zu dem bekennen, was er getan hat.«
»Selbst wenn er sich dadurch das Leben ruiniert?«
»Es ist seine einzige Chance, sein Leben nicht zu ruinieren.«
»Deiner Meinung nach«, stieß Chloë bitter hervor, »deiner gottverdammten professionellen Meinung nach. Ich habe ihn zu dir gebracht. Ich habe ihn hierhergebracht, damit du ihm hilfst!«
»Anderen Menschen zu helfen ist nicht einfach. Es ist …«
»Halt den Mund! Halt den Mund, halt den Mund, halt den Mund! Ich möchte nichts davon hören, dass man Verantwortung übernehmen muss und wie
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