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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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einer Ortsbesichtigung. Was nur heißen konnte, dass er erneut nach Croydon wollte. Um sich das noch einmal anzusehen. Aber was sollte das bringen? Die Polizei war doch schon in dem Haus gewesen. Sie hatten es durchsucht. Was konnte es da geben, das er sich genauer ansehen wollte? Wieder nahm sie die Nachricht in Gedanken auseinander wie eine Maschine, deren Einzelteile man auf einem Tisch ausbreiten konnte. Die Mädchen. Wir waren bei denen auf einem Auge blind. Sich das noch einmal ansehen. Am ersten Teil gab es kaum etwas zu deuteln: die Mädchen. Der dritte Punkt erschien ihr inzwischen auch klar: Croydon. Sich das noch einmal ansehen. Damit musste Croydon gemeint sein. Das Problem war der zweite Teil, das Mittelstück. Wir waren bei denen auf einem Auge blind. Wir. Das war klar: Fearby und Frieda. In welcher Hinsicht waren Fearby und Frieda auf einem Auge blind? Bei denen. Und dann war da noch die Sache mit dem Motor: Sie hatten den Motor nicht gehört. Welchen gottverdammten Motor?
    Dann war es plötzlich, als wäre Frieda aus einem dunklen Tunnel in ein Licht getreten, das so gleißend war, dass sie kaum noch etwas sehen konnte.
    »Bei denen.« Was, wenn damit gar nicht die Mädchen gemeint waren? Was, wenn der Motor überhaupt keine Metapher war – denn im Grunde neigte Fearby gar nicht dazu, in Bildern zu sprechen. Er legte Listen an und konzentrierte sich auf Gegenstände, Fakten, Details, Daten. Der Motor war derjenige, den Vanessa Dale an dem Tag gehört hatte, als sie von einem Mann angegriffen wurde – kurz bevor Hazel Barton ums Leben kam. Während Vanessa Dale die Hände ihres Angreifers bereits um den Hals spürte und vor Panik kaum noch Luft bekam, hatte sie einen Motor aufheulen gehört.
    Was bedeutete, dass ihr Angreifer nicht allein gewesen war. Jemand anderer hatte im Wagen gesessen und den Motor aufheulen lassen – bereit, gleich loszubrausen. Nicht eine Person, sondern zwei. Ein Killerpaar.

59
    A lles hatte jetzt eine stählerne Klarheit und harte Kanten. Sie wählte Thelma Scotts Nummer.
    »Doktor Scott? Hier ist Frieda Klein. Ich muss meinen Termin absagen.«
    Am anderen Ende herrschte kurz Schweigen.
    »Haben Sie einen Moment Zeit zum Reden?«
    »Eigentlich nicht. Ich muss etwas Dringendes erledigen – etwas, das nicht warten kann.«
    »Frieda, geht es Ihnen gut?«
    »Zurzeit wahrscheinlich nicht so besonders. Aber ich habe wirklich etwas Wichtiges zu erledigen. Das hat Vorrang vor allem anderen.«
    »Sie klingen gar nicht gut.«
    »Es tut mir so leid. Ich muss los.«
    Frieda legte auf. Was brauchte sie? Schlüssel, Jacke, ihr verhasstes Telefon. Das war alles. Sie schlüpfte gerade in ihre Jacke, als es an der Tür klingelte. Draußen stand Josef, staubig von der Arbeit.
    »Ich bin gerade am Gehen. Ich habe keine Zeit, nicht mal zum Reden.«
    Josef hielt sie am Arm fest.
    »Frieda, was ist los? Alle rufen sich gegenseitig an. Alle fragen: Wo ist Frieda? Was macht sie? Aber du rufst nie an. Du rufst nie zurück.«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich werde es euch erklären, aber nicht jetzt. Jetzt muss ich nach Croydon.«
    »Croydon? Geht es um die Mädchen?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht.«
    »Allein?«
    »Ich bin schon groß.«
    »Ich fahre dich.«
    »Sei nicht albern.«
    Josef betrachtete sie streng.
    »Entweder ich fahre dich, oder ich halte dich hier fest und rufe Reuben an.«
    »Willst du es darauf ankommen lassen?«, fragte Frieda aufgebracht.
    »Ja.«
    »Meinetwegen, dann fährst du mich eben. Ist das deiner?«
    Hinter Josef parkte ein ramponierter weißer Lieferwagen.
    »Ja, für die Arbeit.«
    »Dann nichts wie los.«
    Es war eine endlos lange Fahrt, erst in Richtung Park Lane, dann in Richtung Victoria und schließlich über die Chelsea Bridge ins südliche London. Frieda hatte die Landkarte aufgeschlagen auf dem Schoß liegen. Während sie Josef Anweisungen gab, überlegte sie, was sie tun sollte. Battersea. Clapham. Tooting. Sollte sie Karlsson anrufen? Aber was konnte sie ihm erzählen? Von ihrem Verdacht hinsichtlich eines Mannes, von dem sie weder den Namen noch die Adresse wusste? Von einem Mädchen, nach dem niemand suchte? Und das alles nach diesem letzten schrecklichen Telefonat? Mittlerweile waren sie in Stadtteile Süd-Londons vorgedrungen, deren Namen ihr kaum noch etwas sagten. Friedas Anweisungen wurden komplizierter, bis sie Josef schließlich ein Stück an Lawrence Dawes’ Haus vorbeifahren ließ.
    »So«, meinte Josef erwartungsvoll.
    Frieda überlegte einen

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