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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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war am naheliegendsten? Sie deutete nach unten. Josef stellte seine Tasche ab, und sie schlichen den Gang links von der Treppe entlang. Josef ging voraus, blickte sich aber immer wieder um. Schließlich blieb er stehen und machte eine Kopfbewegung nach rechts. Eine Tür führte zurück unter die Treppe. Frieda nickte, woraufhin Josef die Tür leise öffnete. Frieda konnte nur ein paar Stufen erkennen, der Rest lag im Dunkeln. In der Luft hing ein leicht süßlicher Geruch, den Frieda nicht recht einzuordnen wusste. Josef tastete an der Wand entlang, bis er auf einen Lichtschalter stieß. Als das Licht anging, fuhr Frieda erschrocken zusammen: Am Fuß der Treppe saß eine Gestalt auf dem Boden, den Rücken an die Ziegelwand gelehnt. Der Großteil des Oberkörpers befand sich im Schatten. Josef zischte Frieda zu, sie solle lieber oben bleiben, doch Frieda stieg entschlossen die Treppe hinunter. Schon nach den ersten paar Stufen wusste sie, wer es war. Sie erkannte die Jacke, das weiße Haar, die gebeugte Gestalt. Als sie den Kellerboden erreichte, starrte Jim Fearby sie aus weit aufgerissenen, aber blicklosen Augen an. Auch sein Mund war wie vor Überraschung aufgerissen, und von seinem Scheitel zog sich ein großer bräunlicher Fleck an einer Seite seines Gesichts nach unten. Beinahe hätte Frieda sich zu ihm hinuntergebeugt, um sich zu vergewissern, dass er wirklich tot war, doch sie nahm sich zusammen. Es hatte keinen Sinn. In ihr stieg eine Woge der Übelkeit hoch, die jedoch ganz schnell einer Traurigkeit wich angesichts dieses verlassenen, freundlichen Mannes, der am Ende doch recht behalten hatte.
    Josef kam nun ebenfalls die Treppe herunter. Frieda war gerade im Begriff, etwas zu sagen, als sie irgendwo in den Tiefen des Kellers ein Geräusch hörte, das wie das Wimmern eines Tiers klang. Sie schaute sich um. Ein Stück weiter vorne bewegte sich etwas. Zögernd trat sie ein paar Schritte vor, bis sie in dem Dämmerlicht allmählich eine Gestalt erkennen konnte – eine junge, weibliche Gestalt, die in stehender Haltung an der Wand lehnte, die Arme und Beine weit gespreizt. Frieda sah verfilztes Haar, blinzelnde Augen, einen zugeklebten Mund. Nach ein paar weiteren Schritten erkannte sie, dass die Frau, die nun wieder dieses verzweifelte Wimmern von sich gab, an den Hand- und Fußgelenken sowie an Taille und Hals mit Draht an die Wand fixiert war. Frieda legte einen Finger an die Lippen. Sie versuchte, ein Handgelenk aus der Drahtschlinge zu befreien, doch einen Augenblick später stand bereits Josef neben ihr. Er zog etwas aus der Jackentasche. Frieda hörte das Geräusch einer Zange, und schon war eine Hand frei. Die andere folgte, dann der Hals und schließlich die Taille. Die Frau kippte kraftlos nach vorne. Frieda stützte sie, um zu verhindern, dass sie sich die Knöchel brach. Rasch kniete Josef sich hin und befreite sie auch noch von ihren Fußfesseln, woraufhin die Frau ihrerseits auf die Knie fiel.
    »Ruf Hilfe«, wandte Frieda sich an Josef.
    Josef zog sein Handy heraus.
    »Ich muss nach oben, hier habe ich kein Netz«, erklärte er.
    »Neun neun neun«, wies Frieda ihn an.
    »Ich weiß«, antwortete Josef.
    Frieda blickte der Frau ins Gesicht.
    »Sharon?« Sie bekam nur ein Wimmern zur Antwort. »Ich ziehe jetzt das Klebeband ab. Wir bringen Sie hier raus, aber seien Sie bitte still. Gerry ist im Moment nicht im Haus, trotzdem müssen wir uns beeilen.« Die junge Frau stieß ein weiteres Wimmern aus. »Keine Sorge, wir bringen Sie hier raus. Aber das tut jetzt sicher weh.« Endlich bekam Frieda das Band richtig zu fassen und zog es ab. Die Haut, die darunter zum Vorschein kam, war bleich und rau und roch nach Verwesung. Sharon wimmerte wie ein verwundetes Tier. »Ist schon gut«, versuchte Frieda sie zu beruhigen. »Wie gesagt, er ist weg.«
    »Nein!« Sharon schüttelte heftig den Kopf. »Der andere Mann!«, stieß sie heftig hervor.
    »Mist!« Frieda wandte sich um und stürmte nach oben. »Josef!«
    Doch sie hörte bereits etwas klappern und krachen, als fielen Möbel um, und als sie endlich die Kellertür erreichte, sah sie schemenhafte, sich schnell bewegende Gestalten und hörte laute Schreie. Sie konnte gar nicht richtig erkennen, was da vor sich ging, und rutschte mit einem Fuß aus. Der Boden war nass und klebrig. Die Eindrücke prasselten nur so auf sie ein: zwei Gestalten, die miteinander rangen, aufblitzendes Metall, Schreie, klatschende Geräusche, Schläge und so heftige

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