Schwarzer Mittwoch
Erschütterungen, dass der Boden unter ihren Füßen bebte. Friedas Fokus verengte sich, als sähe sie die Welt plötzlich durch einen langen, dünnen Schlauch. Auch ihre Gedanken verengten sich. Es war, als würden sie sich verlangsamen, und das Gleiche schien mit der Zeit zu geschehen. Doch Frieda wusste, dass sie nicht zusammenbrechen durfte, weil sonst alles umsonst gewesen wäre. Sie bekam etwas zu fassen, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was es war oder wo es herkam, aber es war schwer, und sie schlug damit zu, so fest sie nur konnte. Dann wurde die Szene allmählich wieder klarer, als würde jemand das Licht immer weiter aufdrehen. Lawrence Dawes lag mit dem Gesicht auf dem Boden, und rund um seinen Kopf breitete sich eine dunkelrote Lache aus, während Josef sich keuchend und stöhnend gegen die Wand lehnte und Frieda an die Wand gegenüber sank. Erst jetzt erkannte sie, dass das nasse, klebrige Zeug an ihren Händen Blut war.
60
F rieda? Frieda, Frieda .« Josef hatte offenbar alle seine Fremdsprachenkenntnisse vergessen. Das Einzige, was er noch herausbrachte, war ihr Name. Er wiederholte ihn immer wieder.
Frieda ging die wenigen Schritte zu ihm hinüber. In ihrem Kopf herrschte plötzlich Klarheit, und sie fühlte sich ganz leicht und ruhig, durchdrungen von neuer Entschlossenheit und Energie. Josef hatte an der Wange eine böse Platzwunde, die sich bis zu seinem Hals hinunterzog. Außerdem fiel Frieda auf, dass sein linker Arm seltsam herabhing. Unter dem ganzen Dreck, den er abbekommen hatte, wirkte sein Gesicht beängstigend blass.
»Mit mir ist alles in Ordnung, Josef«, sagte sie. »Ich danke dir, mein lieber, lieber Freund.«
Dann kauerte sie sich neben Lawrence Dawes. Sein Kopf war an der Stelle, wo sie ihn getroffen hatte, blutverschmiert, aber sie sah, dass er atmete. Sie starrte einen Moment auf den schweren Gegenstand hinunter, den sie noch immer in der Hand hielt. Es handelte sich um einen von Josefs wuchtigen Schraubenschlüsseln, der ihm aus seiner Werkzeugtasche gefallen sein musste und nun voller Blut war.
»Nimm das Ding hier«, sagte sie zu Josef, »und wenn er zu sich kommt, brätst du ihm damit noch eine über. Ich bin gleich wieder da.«
Sie rannte in die Küche und fing an, Schubladen herauszuziehen. Gerry Collier war ein sehr organisierter Mann, bei ihm hatte alles seinen angestammten Platz. Frieda fand eine Schublade mit diversen Schnüren, Isolierband und Stiften. Sie entschied sich für eine Rolle Wäscheleine. Damit würde es gehen. Nachdem sie zu den beiden Männern zurückgekehrt war, beugte sie sich über Lawrence Dawes und band ihm rasch die Hände zusammen, indem sie die Wäscheleine etliche Male um seine Handgelenke schlang. Dann führte sie die Leine hinunter zu seinen Füßen und umwickelte damit seine beiden Fußknöchel, bis sie ihn für ausreichend verschnürt hielt.
Als sie daraufhin ihr Handy aus der Tasche zog und die Notrufnummer wählte, fiel ihr auf, dass ihre Hände kein bisschen zitterten. Sie erklärte, dass sie jede Menge Polizei und mehrere Krankenwagen bräuchten, nannte die Adresse und wiederholte sie sicherheitshalber noch einmal. Als sie dann ihren Namen nannte, kam er ihr seltsam fremd vor, als gehörte er zu einer anderen Person. Nachdem sie noch hinzugefügt hatte, sie sollten sich beeilen, steckte sie das Telefon zurück in ihre Tasche. Neben sich hörte sie Josefs keuchenden Atem. Als sie sich ihm zuwandte, um ihm den Schraubenschlüssel abzunehmen, sah sie, dass er vor Schmerz das Gesicht verzog. Sie berührte ihn leicht an der Schulter. »Harre noch eine Minute hier aus«, sagte sie zu ihm und drückte ihm einen Kuss auf die feuchte Stirn.
Sie rannte die Kellertreppe hinunter. Unten angekommen, blieb sie kurz stehen, schloss mit den Daumen Fearbys Lider und strich ihm das Haar aus dem Gesicht. Dann ging sie weiter zu Sharon Gibbs, die noch immer die Körperhaltung einnahm, in der sie sie zurückgelassen hatte: die Knie auf dem Boden, den Kopf auf den Armen. Sie stieß kehlige Laute aus, die Frieda an ein verwundetes Tier denken ließen. Die junge Frau trug eine verdreckte Hose mit Kordelzug und ansonsten nur einen knappen BH, der kaum ihre flachen Brüste bedeckte. Sie war barfuß. Ihre Fersen sahen rau und eingerissen aus. Trotz des fahlen Lichts registrierte Frieda, dass auch der Rest ihres Körpers einen sehr geschundenen Eindruck machte: Ihre Haut war übersät mit Blutergüssen und kleinen Wunden, die Frieda für Brandmale von
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