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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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schlimmer als jedes wütende Wort. Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, das vor einem freundlichen, aber strengen Erwachsenen stand.
    »Tut mir leid, Yvette. Auf zu Tandy’s und Burgess and Son.«
    »In Ordnung.«
    Frieda griff nach ihrem Telefon und betrachtete es. Ihre Augen brannten vor Müdigkeit, und ihr Körper fühlte sich gleichzeitig hohl und ungeheuer schwer an. Das Grab in Suffolk erschien ihr inzwischen wie ein Traum: ein vernachlässigtes Stückchen Erde, in dem die Knochen eines traurigen Mannes lagen. Sie dachte an ihn – den Vater, den sie nicht hatte retten können. Wenn sie sich erlaubte, in die Vergangenheit zurückzukehren, konnte sie wieder spüren, wie sich seine Hand anfühlte, wenn er die ihre hielt, oder sie glaubte plötzlich seinen Tabak und den Gewürznelkenduft seines Rasierwassers zu riechen. Sie erinnerte sich auch an seine Hoffnungslosigkeit, seine gebeugte Haltung. Und Dean Reeve hatte auf seinem Grab gesessen. Mit diesem fiesen Lächeln.
    Die Katze schlüpfte durch die Katzenklappe. Frieda blickte auf das Tier hinunter, das ihren Blick erwiderte. Einen Moment starrten sie einander an. Dann kämpfte sich Frieda, immer noch mit dem Telefon in der Hand, langsam die Treppe hoch. Stufen waren für sie nach wie vor schwierig. Oben angekommen, ließ sie sich auf ihr Bett sinken und blickte durchs Fenster in die Dämmerung hinaus, die sich gerade wie ein zartgrauer Schleier über die Stadt legte und ihr jeden Abend von Neuem etwas Geheimnisvolles verlieh. Schließlich wandte sie sich ihrem Telefon zu und tippte die Zahlen ein.
    »Hallo«, sagte sie.
    »Frieda?« Die Wärme in seiner Stimme war unverkennbar.
    »Hallo.«
    »Ich habe gerade an dich gedacht.«
    »Wo bist du?«
    »In meinem Büro. Du weißt ja, ich hinke dir fünf Stunden hinterher.«
    »Was hast du an?«
    »Einen grauen Anzug und ein weißes Hemd. Du?«
    Frieda blickte an sich hinunter.
    »Jeans und einen beigebraunen Pullover.«
    »Wo bist du gerade?«
    »Ich sitze auf meinem Bett.«
    »Ich wünschte, ich säße auch auf deinem Bett.«
    »Hast du gut geschlafen?«
    »Ja. Im Traum war ich Schlittschuh laufen. Du auch?«
    »Du meinst, ob ich auch Schlittschuh laufen war?«
    »Nein! Ob du gut geschlafen hast!«
    »Geht so.«
    »Also nicht.«
    »Sandy?«
    Sie wollte ihm von ihrem Tag erzählen, aber die Worte kamen nicht. Er war zu weit weg.
    »Ja, mein Liebling?«
    »Ich hasse das.«
    »Was?«
    »Das alles.«
    »Du meinst, dass du dich schwach fühlst?«
    »Ja, das auch.«
    »Dass ich hier bin?« Nach einer kurzen Pause fragte er: »Was ist denn das für ein Lärm? Ein Gewitter?«
    »Was?« Frieda ließ den Blick schweifen, dann fiel es ihr wieder ein. Sie selbst hörte das Geräusch kaum noch. »In meinem Bad wird gerade eine neue Wanne eingebaut.«
    »Eine neue Badewanne?«
    »Das war nicht so ganz meine Idee. Eigentlich überhaupt nicht. Es handelt sich um ein Geschenk von Josef.«
    »Klingt doch gut.«
    »Die Wanne ist noch nicht eingetroffen. Bis jetzt gibt es nur eine Menge Geklopfe und Gebohre. Alles ist voller Staub, auch deine Hemden. Du hast mehrere Hemden dagelassen.«
    »Ich weiß.«
    »Außerdem etliche Küchenutensilien und neben dem Bett ein paar Bücher.«
    »Ich habe sie dagelassen, weil ich zurückkomme.«
    »Ach ja, stimmt.«
    »Frieda, ich komme wieder.«

6
    I st da Detective Chief Inspector Karlsson?«
    »Am Apparat.«
    »Constable Fogle aus Camden. Ich habe hier einen Mister Russell Lennox bei mir.«
    »Russell Lennox?« Karlsson blinzelte überrascht. »Warum denn das?«
    »Er war in eine Schlägerei verwickelt.«
    »Das verstehe ich jetzt nicht. Weshalb sollte er in eine Schlägerei verwickelt sein? Der Ärmste hat gerade erst seine Frau verloren, sie wurde ermordet.«
    »Allem Anschein nach hat er einigen Sachschaden angerichtet. In einem Gebrauchtwarenladen. Burgess and Son.«
    »Ach.«
    »Ein Fenster ist zu Bruch gegangen, ganz zu schweigen von ein paar Porzellanteilen, die der Ladenbesitzer offenbar für recht wertvoll hält. Ein paar Drohungen hat er wohl auch ausgestoßen.«
    »Ich bin schon unterwegs. Gehen Sie bitte nicht zu grob mit ihm um, ja?«
    Russell Lennox saß in einem kleinen Verhörraum, die Hände auf dem Tisch verschränkt, den Blick starr geradeaus gerichtet. Hin und wieder blinzelte er, als versuchte er auf diese Weise eine klarere Sicht zu bekommen. Als Karlsson in Begleitung des uniformierten Beamten, der ihn angerufen hatte, den Raum betrat, wandte Lennox den Kopf, schien den

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