Schwarzer Mittwoch
einer Schubkarre, einem Stapel leerer Plastikblumentöpfe, alten Marmeladengläsern, einer Packung Badezimmerfliesen. Jemandem war offenbar daran gelegen gewesen, die Flaschen vor neugierigen Blicken zu verbergen, denn sie befanden sich hinter ein paar Blechdosen mit alten Farbresten in einer Ecke und waren sorgfältig mit einem Tuch zugedeckt. Nachdem Riley sie eine Weile nachdenklich betrachtet hatte, ging er Yvette holen.
Yvette zog die Flaschen eine nach der anderen heraus und inspizierte sie genau. Wodka, weißer Cider, billiger Whisky: Alkohol zum Betrinken, nicht zum Genießen. Wer hatte sich da einen hinter die Binde gegossen, die Kinder oder die Eltern? Handelte es sich womöglich um alte Flaschen, die schon lange dort im Schuppen standen, oder waren sie erst vor Kurzem geleert worden? Yvette fand, dass sie eher neu aussahen – und nach Heimlichkeiten.
26
K arlsson brauchte eine passende Betreuungsperson, die bei der Befragung der Kinder als Beisitzer oder Beisitzerin fungieren konnte. In der Regel übernahm diese Aufgabe ein Elternteil, aber im Fall der Lennox-Kinder war ein Elternteil tot und der andere unter den gegebenen Umständen alles andere als passend. Karlsson überlegte, ob er stattdessen Ruths Schwester Louise Weller bitten solle, bei dem Gespräch anwesend zu sein – aber Judith Lennox erklärte, sie würde lieber sterben , als vor ihrer Tante über ihre Mutter zu sprechen, und Ted murmelte irgendetwas darüber, dass Louise sich an der ganzen Sache doch nur aufgeile.
»Sie kann einfach nicht wegbleiben«, fügte er hinzu, »dabei brauchen wir hier weder sie noch ihren Kuchen, noch ihr bigottes Getue, von ihrem blöden Baby ganz zu schweigen.«
Deswegen wurde die passende Person am Ende vom Sozialamt bestimmt. Die Frau, die pünktlich und voller Enthusiasmus im Polizeipräsidium erschien, war Anfang sechzig und spindeldürr. Ihre Augen glänzten vor Aufregung und Nervosität. Wie sich herausstellte, war es ihr allererstes Gespräch dieser Art. Natürlich verfügte sie über die entsprechende Ausbildung, hatte zusätzlich alles gelesen, was ihr zu dem Thema untergekommen war, und bildete sich außerdem ein, besonders gut mit jungen Leuten umgehen zu können: Teenager würden ja so oft missverstanden, erklärte sie Karlsson. Oft bräuchten sie nur jemanden, der ihnen zuhörte und auf ihrer Seite stand, und genau deswegen sei sie hier. Sie strahlte ihn an. Ihre Wangen waren vor Aufregung leicht gerötet.
»Schön«, antwortet er, klang aber nicht allzu überzeugt. »Ihnen dürfte bereits bekannt sein, dass drei Gespräche auf dem Programm stehen«, fuhr er fort. »Wir werden die Lennox-Kinder der Reihe nach befragen. Der Sohn, Ted, gilt genau genommen nicht mehr als Jugendlicher – er ist schon achtzehn. Wie Sie sicher wissen, besteht Ihre Aufgabe lediglich darin zu bezeugen, dass die drei angemessen behandelt werden. Sobald Sie das Gefühl haben, dass die jungen Leute Hilfe benötigen, schalten Sie sich bitte ein.«
»Gerade die Pubertät ist ein so schmerzliches, schwieriges Alter«, antwortete Amanda Thorne. »Man ist noch halb Kind und doch schon halb erwachsen.«
Karlsson nickte. »Die Befragungen werden von mir durchgeführt. Meine Kollegin, Frau Doktor Frieda Klein, wird ebenfalls anwesend sein.«
Als er Yvette eröffnet hatte, dass er zu den Gesprächen mit Ted, Judith und Dora nicht sie, sondern Frieda mitnehmen wolle, hatte sie ihn mit einem derart vorwurfsvollen Blick bedacht, dass er es sich beinahe anders überlegt hätte. Mit ihrem Zorn konnte er umgehen, nicht aber mit ihrem Kummer. Sie hatte tiefrote Wangen bekommen und gemurmelt, das sei schon in Ordnung, völlig in Ordnung, das habe allein er zu entscheiden, sie verstehe das durchaus.
Ted kam als Erster in den Raum geschlurft – mit offenen Schnürsenkeln, zotteligem Haar und ausgefransten Säumen. Alles an ihm schien aus Rissen und losen Fäden zu bestehen. Er war unrasiert, und am Hals hatte er einen Ausschlag. Er wirkte ungewaschen und schlecht ernährt. Als Karlsson ihn aufforderte, sich zu setzen, schüttelte er den Kopf und stellte sich stattdessen ans Fenster, das auf den Garten hinausging. In den Rabatten blühten Narzissen, und auch der Obstbaum stand bereits in voller Blüte.
»Mich kennst du ja«, sagte Frieda.
»Mir war nicht klar, dass Sie zu denen gehören«, antwortete er.
»Danke, dass du dich zu diesem Gespräch bereit erklärt hast«, begann Karlsson. »Bevor wir anfangen, möchte ich dir Amanda
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