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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Thorne vorstellen. Sie wird als Beisitzerin teilnehmen, als eine Art Beistand für euch, das heißt …«
    »Ich weiß, was das heißt. Aber ich bin kein Kind mehr, ich brauche sie nicht.«
    »Da hast du recht, mein Lieber«, mischte Amanda sich ein, während sie aufstand und auf ihn zuging, »du bist tatsächlich kein Kind mehr. Du bist ein junger Mann, der gerade etwas ganz Schreckliches durchmachen musste.«
    Ted bedachte sie mit einem verächtlichen Blick, den sie aber gar nicht zu bemerken schien.
    »Ich bin zu deiner Unterstützung hier«, fuhr sie fort. »Falls du irgendetwas nicht verstehst, musst du mir das sagen, damit ich es dir erklären kann. Und wenn dich irgendetwas aufregt oder du dich überfordert fühlst, darfst du mir das ebenfalls sagen.«
    Ted blickte in ihr lächelndes, leicht zur Seite geneigtes Gesicht.
    »Halten Sie doch einfach den Mund.«
    »Wie bitte?«
    »Sollen wir loslegen?«, unterbrach Karlsson die beiden rasch.
    Ted verschränkte die Arme und wandte den Kopf ab. Mit höhnischer Miene starrte er aus dem Fenster.
    »Nur zu. Wollen Sie mich jetzt fragen, ob ich über meine Mum und ihr anderes Leben Bescheid weiß?«
    »Und? Weißt du Bescheid?«
    »Inzwischen schon. Mein Dad hat es mir erzählt. Besser gesagt, er hat angefangen, es mir zu erzählen, musste dann erst einmal heulen, und hat mir danach den Rest berichtet.«
    »Du weißt also, dass deine Mutter sich regelmäßig mit jemandem getroffen hat?«
    »Nein. Ich weiß nur, dass Sie das glauben.«
    »Du selbst glaubst es nicht?«
    »Sie wollen hören, was ich glaube? Ich glaube, Sie werden jedes einzelne Detail ihres Lebens hervorzerren, um es anschließend in den Schmutz zu ziehen.«
    »Ted, es tut mir sehr leid, aber es geht hier um einen Mord«, entgegnete Karlsson. »Du musst verstehen, dass wir gezwungen sind, gründlich zu ermitteln.«
    »Zehn Jahre!« Er schrie die Worte laut heraus, das Gesicht vor Wut verzerrt. »Seit ich sieben war, und Dora drei! Wusste ich irgendetwas darüber? Nein. Soll ich Ihnen sagen, was für ein Gefühl das ist, wenn man erfährt, dass alles nur eine Lüge war, eine Show? Was glauben Sie, wie sich das anfühlt?« Mit einer heftigen Bewegung wandte er sich an Amanda Thorne. »Los, Sie schlaue Frau Beisitzerin, erzählen Sie mir doch, wie ich mich jetzt fühlen muss! Oder Sie!« Als er eine Handbewegung zu Frieda hinüber machte, registrierte sie seine schmutzigen Fingernägel. »Sie sind doch Therapeutin. Erzählen Sie mir was über meine Gefühle.«
    »Ted«, antwortete Frieda, »du musst die Fragen beantworten.«
    »Wissen Sie, was? Ein paar von meinen Freunden haben immer gesagt, sie wünschten, sie wäre ihre Mutter. Jetzt werden sie das nicht mehr sagen.«
    »Soll das heißen, du hattest nicht die geringste Ahnung?«
    »Möchtest du eine Pause einlegen?«, fragte Amanda Thorne.
    »Nein, das möchte er nicht!«, erwiderte Karlsson in scharfem Ton.
    »Das ist doch wohl klar, dass ich keine Ahnung hatte. Sie war die gute Mutter, die gute Ehefrau, die gute Nachbarin – die gottverdammte Vollkommenheit in Person!«
    »Aber ergibt es nun im Nachhinein einen Sinn für dich?«
    Ted wandte sich Frieda zu. Er wirkte so mager und zerbrechlich, dass man bei seinem Anblick fast befürchtete, er könnte in einen Haufen Knochensplitter zerbröseln, wenn jemand ihn berührte oder gar versuchte, ihn in den Arm zu nehmen.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Du bist plötzlich auf eine sehr schmerzhafte Art gezwungen, deine Mutter in einem ganz neuen Licht zu sehen: nicht als die Person, die offenbar jeder als vernünftig, ruhig und selbstlos beschreibt, sondern als eine Frau, die noch eine zweite, völlig andere Seite besaß, eine Frau mit eigenen Bedürfnissen und Wünschen und einem richtigen Doppelleben, das sie im Geheimen führte, abgetrennt von euch allen … Deswegen frage ich dich jetzt, ob das für dich rückblickend einen Sinn ergibt.«
    »Nein. Ich weiß nicht. Ich möchte nicht darüber nachdenken. Sie war meine Mum, sie war …« Er schloss für einen Moment die Augen.
    »Genau. Kein sexuelles Wesen.«
    »Ich möchte nicht darüber nachdenken«, wiederholte er. »Ich möchte diese Bilder nicht in meinem Kopf haben. Dadurch wird alles vergiftet.«
    Wieder wandte er sich mit einer heftigen Bewegung von ihnen ab. Frieda spürte, dass er den Tränen nahe war.
    »Wenn ich das richtig verstehe«, brach Karlsson das Schweigen, »dann hattest du also nicht den leisesten Verdacht.«
    »Sie war eine miserable

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