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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Sie uns alle in Ruhe.«
    Die Befragung von Dora war im Grund gar keine richtige Befragung. Die Dreizehnjährige wirkte mager, schlapp und erschöpft. Vom vielen Weinen hatte sie ein rotes, fleckiges Gesicht. Ihr Vater war seit dem Tod seiner Frau um Jahre gealtert, wohingegen Dora sich in ein kleines Kind zurückverwandelt hatte. Sie brauchte ihre Mutter. Sie brauchte jemanden, der sie in den Arm nahm und dafür sorgte, dass dieser ganze Horror wieder verschwand. Frieda legte eine Hand auf die feuchte, heiße Stirn des Mädchens. Amanda Thorne gurrte beruhigende Laute und erklärte ihr, alles werde wieder gut werden, wobei sie offenbar selbst nicht merkte, wie idiotisch sich das anhörte. Karlsson starrte das Mädchen nur stirnrunzelnd an. Ihm fehlten die Worte, er wusste gar nicht, wo er anfangen sollte. Das Haus war von zu viel Schmerz erfüllt. Man konnte ihn fast auf der Haut spüren. Draußen leuchteten die Narzissen im warmen, hellen Frühlingslicht.
    Als Yvette Russell Lennox nach den Flaschen fragte, starrte er sie nur an, als hätte er kein Wort verstanden.
    »Wissen Sie, wer sie dort hineingestellt hat?«
    Er zuckte mit den Achseln, rieb sich übers Gesicht und wandte den Blick ab.
    »Was spielt das für eine Rolle?«, sagte er schließlich.
    »Vielleicht gar keine, aber ich muss Sie trotzdem danach fragen. In dem Schuppen waren Dutzende von Flaschen versteckt. Vielleicht gibt es dafür eine ganz harmlose Erklärung, aber für mich sieht es nach einem heimlichen Trinker aus.«
    »Ich verstehe nicht, wie Sie darauf kommen. Der Schuppen ist voller Gerümpel.«
    »Wer benutzt ihn?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wer geht dort ein und aus? Hatte Ihre Frau dort Sachen gelagert?«
    »Ruth war das nicht.«
    »Dann vielleicht Ihr Sohn und seine Freunde …«
    »Nein, nicht Ted.«
    »Haben Sie selbst die Flaschen dort versteckt?«
    Der Raum füllte sich mit Schweigen.
    »Mister Lennox?«
    »Ja.« Seine Stimme klang plötzlich schrill, und er wandte den Kopf ab, als könnte er es nicht ertragen, ihrem Blick zu begegnen.
    »Würden Sie sagen, dass …« Yvette brach ab. Solche Befragungen lagen ihr nicht, sie klang dabei immer viel zu barsch. Sie schaffte es einfach nicht, ihre Fragen klar, aber nicht wertend zu formulieren. »Haben Sie ein Alkoholproblem?«, fragte sie unvermittelt.
    Russell Lennox riss den Kopf hoch. »Nein, habe ich nicht.«
    »Aber diese Flaschen …« Sie dachte an den weißen Cider. So etwas trank doch nur jemand, der ein Alkoholproblem hatte.
    »Die Leute meinen immer, nur weil man trinkt, hat man gleich ein Alkoholproblem, und dahinter wittern sie sofort ein noch größeres Problem.« Er sprach schnell und ohne Pausen. »Ich hatte nur eine blöde Phase, und der Alkohol hat mir dabei geholfen, sie zu überstehen, und die Flaschen habe ich in den Schuppen gestellt, weil mir klar war, dass alle es so sehen würden wie Sie: als etwas, wofür man sich schämen muss – da war es einfacher, die Flaschen zu verstecken; das war der einzige Grund, und bei nächster Gelegenheit hätte ich sie alle entsorgt.«
    Yvette versuchte, seine Sätze auseinanderzudividieren. »Was genau mussten Sie denn überstehen?«
    »Das alles. Alles Mögliche.« Einen Moment klang er wie sein Sohn.
    »Wann haben Sie diese Phase durchgemacht?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Erst vor Kurzem?«
    Russell Lennox schlug die Hände vors Gesicht. Durch die Finger stieß er einen undeutlichen Laut hervor.
    »Trinken Sie immer noch?«
    »Sind Sie jetzt meine Hausärtzin?« Seine Worte klangen gedämpft. »Werden Sie mir gleich sagen, dass das nicht gut für mich ist? Glauben Sie denn, das weiß ich nicht? Wollen Sie mir vielleicht einen Vortrag halten über Leberschäden und Suchtgefahr und wie wichtig es ist, dass ich mir selbst eingestehe, was ich da mache, und mich um Hilfe bemühe?«
    »Haben Sie getrunken, weil es in Ihrer Ehe Probleme gab?«
    Er stand auf.
    »Für Sie ist alles Beweismaterial, oder? Das Privatleben meiner Frau ebenso wie die Tatsache, dass ich zu viel trinke.«
    »Ein Mordopfer hat kein Privatleben mehr«, entgegnete Yvette. »Beides scheint mir relevant zu sein.«
    »Was wollen Sie jetzt von mir hören? Ich habe eine Weile zu viel getrunken. Das war dumm von mir. Ich wollte nicht, dass die Kinder es mitbekommen, also habe ich es heimlich getan. Ich bin darauf nicht stolz.«
    »Und Sie sagen, es geschah aus keinem besonderen Grund?«
    »Sie erwarten von mir, dass ich alles genau auf den Punkt bringe, aber

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