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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wieder verschwinden können. Verdammt, er hätte eigentlich in frühestens einer Stunde nach Hause kommen sollen!«
    Ginger schob ein Stuhlkissen unter Pablos Kopf, damit er nicht am Blut und Schleim in seiner Kehle erstickte.
    Von dem, was geschehen war, offensichtlich immer noch wie betäubt, erklärte der Schütze: »Er kam plötzlich so lautlos rein wie so'n verdammtes Gespenst.«
    Ginger dachte daran, wie anmutig und geschmeidig der alte Mann sich stets bewegt hatte -so als wäre jeder Schritt, jede Geste der Auftakt zu einem Zauberkunststück.
    Pablo hustete und schloss die Augen. Ginger hätte gern mehr für ihn getan, aber nur eine sofortige Operation konnte ihn vielleicht noch retten. Im Augenblick konnte sie ihm nur eine Hand auf die Schulter legen, damit er wenigstens menschliche Nähe und Wärme spürte.
    Sie blickte flehend zu dem Schützen auf, aber er sagte nur: »Und wozu musste er auch - verdammt noch mal! - eine Pistole mit sich herumtragen? Ein achtzigjähriger Knacker und hat eine Pistole in der Hand! Als ob so einer damit umgehen könnte!«
    Bis jetzt war Ginger die Pistole auf dem Teppich neben Pablos gespreizter Hand noch gar nicht aufgefallen. Als sie sie nun sah, wurde sie vor plötzlichem Entsetzen fast ohnmächtig, denn sie begriff schlagartig, dass Pablo die ganze Zeit über gewusst hatte, wie gefährlich es war, ihr helfen zu wollen. Sie selbst hatte nicht damit gerechnet, dass allein schon der Versuch, ihre Gedächtnisbarriere niederzureißen, Männer wie diesen im Ledermantel auf den Plan rufen könnte, weil das ja voraussetzte, dass sie observiert wurde. Nun wurde ihr klar, dass das tatsächlich der Fall war. Vielleicht wurde sie nicht rund um die Uhr beobachtet, aber man behielt sie jedenfalls scharf im Auge. Von dem Moment an, als sie Pablo zum erstenmal angerufen hatte, hatte sie unabsichtlich sein Leben in Gefahr gebracht. Und er hatte das gewusst, sonst hätte er keine Pistole bei sich getragen. Ginger wurde von heftigen Schuldgefühlen gepeinigt.
    »Wenn er nicht diese verdammte 22er gezogen hätte«, erklärte der Schütze kläglich, »und wenn er nicht darauf bestanden hätte, die Bullen anzurufen, hätte ich mich aus dem Staub machen können, ohne ihm ein Haar zu krümmen. Ich wollte ihn nicht umbringen. Scheiße!«
    »Um Gottes willen«, bat Ginger flehentlich, »lassen Sie mich einen Krankenwagen rufen. Wenn Sie ihm eigentlich nichts zuleide tun wollten, dann lassen Sie mich doch Hilfe anfordern.«
    Der Schütze schüttelte den Kopf, dann warf er einen Blick auf den alten Mann. »Sowieso zu spät. Er ist tot.«
    Die letzten drei Worte raubten ihr den Atem und rissen ihr gleichzeitig die Schleier einer nahen Ohnmacht von den Augen.
    Ein flüchtiger Blick auf die glasigen Augen des alten Zauberkünstlers bestätigte ihr, was der Schütze gesagt hatte, aber sie wollte sich noch nicht mit der Wahrheit abfinden. Sie hob Pablos linke Hand etwas an und tastete an seinem schmalen Gelenk nach dem Puls. Als sie keinen feststellen konnte, legte sie ihre Fingerspitzen auf seine Halsschlagader, aber obwohl seine Haut noch warm war, konnte sie auch dort kein Lebenszeichen mehr entdecken. Sie berührte Pablos dunkle Stirn, aber nun nicht mehr wie eine Ärztin, sondern zärtlich, liebevoll. Sie trauerte um ihn, als hätte sie den Zauberkünstler nicht lediglich zwei Wochen, sondern jahrelang gekannt. Wie ihr Vater, so war auch sie schnell bereit, jemandem ihr Herz zu schenken, und Pablos ganzes Wesen hatte ihm ihre Zuneigung und Liebe noch rascher zufliegen lassen als anderen Menschen.
    »Es tut mir leid«, sagte der Killer mit schwankender Stimme. »Es tut mir wirklich leid. Wenn er nicht versucht hätte, mich hier festzuhalten, wäre ich einfach verduftet. Jetzt habe ich jemanden umgebracht, und ... und Sie haben mein Gesicht gesehen.«
    Ginger schluckte ihre Tränen hinunter, denn sie begriff plötzlich, dass sie es sich im Augenblick einfach nicht leisten konnte, ihrem Schmerz freien Lauf zu lassen. Sie erhob sich langsam und betrachtete den Mann.
    Der Schütze dachte laut nach. »Jetzt muss ich auch Sie liquidieren. Dann muss ich zum Schein die Wohnung auf den Kopf stellen, Schubladen ausleeren und einige Wertsachen mitnehmen, damit es so aussieht, als hättet ihr beide einen Einbrecher überrascht.« Er nagte an seiner Unterlippe. »Ja, so wird es gehen. Anstatt die Kassetten zu kopieren, werde ich sie jetzt einfach mitnehmen, dann kann niemand sie abhören und Verdacht schöpfen.«

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