Schwarzer Mond: Roman
flatternden Schneevorhänge hindurch sah Stefan unten auf der Vista Valley Road die Scheinwerfer von vier Fahrzeugen. Die vier Wagen standen kreuz und quer, und ihre Lichter überschnitten sich wie gekreuzte Säbel in der Dunkelheit.
Ihm wurde rasch klar, dass sie einer Katastrophe entgegenfuhren.
»Maschinengewehre!« rief Parker.
Stefan sah nun auch, dass zwei der Männer auf der Straße Maschinengewehre auf eine siebenköpfige Gruppe -sechs Erwachsene und ein Kind - richteten, die neben einem Cherokee in einer Reihe standen. Acht oder zehn weitere Männer vermutlich Militärs, denn sie trugen alle die gleichen Polaruniformen -umzingelten die kleine Gruppe. Stefan zweifelte nicht daran, dass Angehörige dieser Truppeneinheit auch die I-80 gesperrt hatten, sowohl heute als auch damals, vor mehr als achtzehn Monaten.
Die Männer drehten sich plötzlich um und starrten hügelaufwärts, sichtlich überrascht über die Störung.
Stefan hätte am liebsten den Jeep gewendet und so schnell wie möglich die Flucht ergriffen, aber obwohl er das Tempo verlangsamte, wusste er, dass ein Fluchtversuch sinnlos wäre. Sie würden ihn verfolgen.
Plötzlich entdeckte er unter den am Cherokee stehenden Menschen ein vertrautes irisches Gesicht.
»Das ist er, Parker! Dort ganz außen steht Brendan!«
»Dann muss das die Gruppe sein, die sich im Motel getroffen hatte«, sagte Parker und starrte angestrengt durch die Windschutzscheibe. »Aber ich sehe Dom nicht!«
Jetzt, nachdem er Brendan entdeckt hatte, wäre Vater Wycazik um nichts in der Welt umgekehrt, selbst wenn Gott die Berge für ihn geteilt und einen schnurgeraden Highway nach Kanada geschaffen hätte, so wie er einst für Moses und die Kinder Israels das Rote Meer geteilt hatte. Andererseits war Stefan unbewaffnet, und als Priester hätte er ohnehin keinen Gebrauch von der Waffe machen können. Da er weder die Möglichkeit noch den Wunsch hatte anzugreifen, aber auch nicht fliehen konnte, ließ er den Cherokee langsam den Hügel hinabrollen, während er sich den Kopf zerbrach, wie er die Situation entspannen könnte.
Auch Parker war sichtlich ratlos. »Verdammt, was sollen wir jetzt nur machen?«
Die Soldaten nahmen ihnen die Entscheidung ab. Zu Stefans großem Erstaunen eröffnete einer der Männer mit seinem Maschinengewehr das Feuer auf sie.
Dom verfolgte aufmerksam, wie Jack Twist zunächst den Kettenzaun sorgfältig mit der Taschenlampe ableuchtete und sodann auch den Stacheldrahtverhau am oberen Ende, über ihren Köpfen. Sie standen an jenem langen Abschnitt des Militärgeländes, wo der Grenzzaun durch Wiesenflächen hügelabwärts zum Tal verlief. Große Teile der Stahlmaschen des Zaunes waren mit Schnee verstopft, aber Jack konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die wenigen freien Stellen.
»Der Zaun selbst steht nicht unter Strom«, rief Jack laut, um den heulenden Wind zu übertönen. »Es sind keine Leitungsdrähte darin verwoben, und durch den Maschendraht kann kein Strom geleitet werden. Auf gar keinen Fall. Der Widerstand wäre viel zu hoch, weil dieser Draht zu dick ist, und außerdem sind die Enden nicht immer fest verbunden.«
»Aber wozu dann diese Warnschilder?« fragte Ginger.
»Zum Teil, um Unkundige abzuschrecken«, sagte Jack. Er richtete den Strahl der Taschenlampe wieder auf den Stacheldrahtverhau. »Leitungsdrähte sind aber doch vorhanden da oben, in der Mitte dieser Stacheldrahtrolle. Jeder Versuch, über den Zaun zu klettern, würde tödlich enden. Wir werden unten ein Stück rausschneiden.«
Ginger hielt die Taschenlampe, während Dom in einem der Rucksäcke nach dem Azetylen-Schweißbrenner suchte und ihn Jack überreichte.
Jack setzte eine dunkel getönte Skibrille auf, zündete den Schweißbrenner an und begann ein Loch in den Maschendraht zu schneiden. Das Zischen des brennenden Gases war trotz des brausenden Sturmes deutlich zu hören. Die grelle, bläulich-weiße Azetylenflamme ließ den Schnee funkeln wie Juwelen.
Vom Haupteingang des Depots konnten sie nicht gesehen werden, weil ein Hügel dazwischenlag. Dom nahm allerdings an, dass das gespenstische Gaslicht noch in ziemlicher Höhe auffällig genug war, um Wachposten misstrauisch zu machen. Aber wenn Jack mit seiner Vermutung recht hatte, dass die Militärs sich auf ihre elektronischen Warnanlagen verließen, dann patrouillierten hier überhaupt keine Wachposten; und eine Überwachung mit Videokameras dürfte bei diesem Unwetter kaum möglich sein, weil deren
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