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Schwarzer Mond: Roman

Schwarzer Mond: Roman

Titel: Schwarzer Mond: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sie sich ebenfalls hier getroffen hatten, um über seine Glaubenskrise zu sprechen und nach Möglichkeiten der Abhilfe zu suchen. Er war so bleich, dass seine Sommersprossen wie Funken auf seiner Haut brannten, und durch den Kontrast wirkte sein kastanienbraunes Haar röter als gewöhnlich. Sein Gang hatte jeden Schwung verloren.
    »Setzen Sie sich, Brendan. Kaffee?«
    »Nein, danke.« Brendan ließ sich in den durchgesessenen Ohrensessel fallen.
    Stefan hätte ihn am liebsten gefragt, ob er ordentlich gefrühstückt oder nur an einem Toast herumgekaut und ihn mit Kaffee hinuntergespült hatte; aber er wollte nicht den Eindruck erwecken, als versuche er, seinen dreißigjährigen Kaplan zu bemuttern. Deshalb fragte er statt dessen: »Haben Sie meine Lektürevorschläge befolgt?«
    »Ja.«
    Stefan hatte Brendan von all seinen Pflichten in der Gemeinde entbunden und ihm Bücher und Essays gegeben, in denen von einem intellektuellen Standpunkt aus Argumente für die Existenz Gottes und gegen den Atheismus angeführt wurden.
    »Und Sie haben gewiss über das Gelesene nachgedacht«, fuhr Vater Wycazik fort. »Haben Sie schon etwas gefunden, was Ihnen ... helfen könnte?«
    Brendan schüttelte seufzend den Kopf.
    »Beten Sie weiterhin um Führung?«
    »Ja. Es wird mir aber keine zuteil.«
    »Und forschen Sie weiterhin nach den Ursachen für diesen Zweifel?«
    »Es scheint überhaupt keine zu geben.«
    Die Wortkargheit des jungen Priesters ging Stefan allmählich auf die Nerven. Brendan war immer offen und gesprächig gewesen. Aber seit Sonntag war er in sich gekehrt und er sprach langsam und leise, gab nur kurze Antworten, so als wäre jedes Wort Geld und er ein Geizhals, dem es leid tat, auch nur einen Penny auszugeben.
    »Es muss aber Ursachen für Ihren Glaubensschwund geben«, insistierte Vater Wycazik. »Der Zweifel muss aus irgend etwas erwachsen sein -er muss ein Samenkorn, einen Ursprung haben.«
    »Er ist einfach da«, murmelte Brendan kaum hörbar. »Der Zweifel ist einfach da, so als wäre er es schon immer gewesen.«
    »Aber dem war nicht so -Sie glaubten doch früher! Wann begannen Sie zu zweifeln? Sie sagten, letzten August. Aber wodurch entstanden Ihre Zweifel? Es muss irgendeinen besonderen Vorfall gegeben haben, der Ihren Abfall vom Glauben bewirkte.«
    Brendan hauchte ein »Nein«
    Vater Wycazik hätte ihn am liebsten angebrüllt und geschüttelt, um ihn aus seiner schwermütigen Erstarrung zu reißen.
    Aber er fuhr geduldig fort: »Unzählige gute Priester haben Glaubenskrisen durchgemacht. Selbst Heilige. Aber sie alle hatten zweierlei gemeinsam: Ihr Glaubensschwund war ein allmählicher Prozess, der erst nach Jahren zu einer Krise führte; und sie alle konnten irgendwelche besonderen Vorkommnisse oder Beobachtungen anführen, die in ihnen Zweifel ausgelöst hatten. Beispielsweise den ungerecht erscheinenden Tod eines Kindes. Oder eine an Krebs erkrankte unersetzliche Mutter.
    Mord. Vergewaltigung. Kidnapping. Weshalb lässt Gott das Böse in der Welt zu? Weshalb Kriege? Es gibt unzählige Ursachen für Glaubenszweifel, und obwohl die Lehre der Kirche Antworten auf diese quälenden Fragen gibt, sind kalte dogmatische Erklärungen manchmal wenig hilfreich. Brendan, Zweifel entspringen immer aus konkreten Widersprüchen zwischen der Vorstellung von Gottes Güte und der Realität mit all ihrem menschlichen Leid.«
    »In meinem Fall aber nicht«, widersprach Brendan.
    Freundlich, aber sehr eindringlich fuhr Vater Wycazik fort: »Und die einzige Möglichkeit, diese Zweifel auszuräumen, besteht darin, über jene Widersprüche, die Sie quälen, mit einem geistlichen Vater zu sprechen.«
    »In meinem Fall ist mein Glaube ... einfach ... unter mir zusammengebrochen ... plötzlich ... wie ein Fußboden, der völlig solide aussah, aber total morsch war.«
    »Sie grübeln nicht über ungerechten Tod, über Krankheit, Mord oder Krieg nach? Ein morscher Fußboden, der über Nacht einbrach?«
    »So ist es.«
    »Scheißdreck!« rief Stefan und sprang von seinem Stuhl auf.
    Dieser Ausdruck bestürzte Vater Cronin genauso wie die plötzliche heftige Bewegung. Er blickte abrupt hoch und riss vorÜberraschung die Augen weit auf.
    »Scheißdreck«, wiederholte Vater Wycazik mit finsterem Gesicht, während er seinem Kaplan den Rücken zuwandte. Teilweise wollte er den jüngeren Priester schockieren und ihn aus dem tranceartigen Selbstmitleid herausreißen, teilweise ärgerte er sich aber auch wirklich über Cronins

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