Schwarzer Mond: Roman
mit ihnen oft gemeinsam etwas.
Parker war erst auf Doms beharrliches Drängen hin ein >Big Brother< geworden. Zunächst hatte er sich heftig dagegen gesträubt. »Ich? Ich? Ich eigne mich nicht als Vater - oder als Ersatzvater«, hatte er erklärt. »Ich war nie ein väterlicher Typ und werde nie einer sein. Ich trinke zuviel und habe zuviel Weibergeschichten. Es wäre direkt kriminell, wenn man zuließe, dass irgendein Kind sich ratsuchend an mich wendet. Ich bin ein Zauderer, ein Träumer und ein selbstsüchtiger Egomane. Und ich mag mich, so wie ich bin! Was könnte ich denn einem Jungen schon geben? Ich mag nicht einmal Hunde. Kinder lieben Hunde, aber ich hasse diese verdammten schmutzigen Viecher mit ihren Flöhen! Ich und ein Big Brother? Mein Freund, du musst wirklich den Verstand verloren haben!«
Aber am Donnerstagnachmittag am Strand, als sich herausstellte, dass das Wasser zum Schwimmen zu kalt war, organisierte Parker ein Volleyballspiel und Wettrennen entlang der Brandung. Dom und die beiden Jungen begeisterten sich auch für ein von dem Maler selbst erfundenes kompliziertes Spiel, für das man zwei Stöcke, einen Strandball und eine leere Coladose benötigte. Und unter seiner Anleitung wurde eine Sandburg samt gefährlich aussehendem Drachen gebaut.
Als sie später bei >Hamburger Hamlet< in Costa Mesa aßen und die Jungen gerade auf der Toilette waren, sagte Parker: »Dom, alter Freund, diese >Big Brother<-Sache war wirklich eine der besten Ideen, die ich je hatte.«
»Die du hattest?« rief Dom kopfschüttelnd. »Ich musste dich mit Geschrei und Fußtritten dazu bringen.«
»Unsinn!« erwiderte Parker. »Ich konnte mit Kindern schon immer gut umgehen. Jeder Künstler ist im Herzen teilweise noch ein Kind. Wir müssen jung bleiben, um kreativ sein zu können. Ich finde, dass Kinder mich beleben, meinen Geist anregen.«
»Als nächstes wirst du dir wohl einen Hund zulegen«, sagte Dom trocken.
Parker lachte. Er trank sein Bier aus und beugte sich etwas vor. »Ist mit dir alles okay? Du kamst mir heute zeitweilig etwas ... zerstreut vor. Geistesabwesend.«
»Mir ging so einiges durch den Kopf«, antwortete Dom.
»Aber es ist alles in Ordnung. Das Schlafwandeln hat schon stark nachgelassen. Und die Träume ebenfalls. Cobletz weiß, was er tut.«
»Kommst du mit dem neuen Buch gut voran? Flunker mich jetzt nicht an!«
»Doch, es läuft ganz gut«, schwindelte Dom.
»Manchmal hast du einen so komischen Blick«, sagte Parker, wobei er ihn intensiv beobachtete. »So ... so benommen. Du hältst dich doch an die vorgeschriebene Dosierung?«
Die Scharfsichtigkeit des Malers brachte Dom aus der Fassung. »Ich müsste ja ein Vollidiot sein, wenn ich Valium in mich reinfuttern würde wie Süßigkeiten. Natürlich halte ich mich an die vorgeschriebene Dosierung.« Parker sah ihn eindringlich an, beschloss aber offensichtlich, nicht weiter zu bohren.
Der Film war gut, aber während der ersten dreißig Minuten wurde Dom völlig grundlos immer nervöser. Als er merkte, dass die Nervosität sich zu einem Angstanfall zu steigern drohte, ging er leise auf die Toilette. Er hatte für einen Notfall dieser Art vorsichtshalber ein weiteres Valium mitgenommen.
Wichtig war schließlich nur, dass er dabei war, den Kampf zu gewinnen. Er kam gut voran. Der Somnambulismus verlor seine Gewalt über ihn. Das allein zählte.
Das Desinfektionsmittel mit Tannenduft konnte den durchdringenden Gestank der Pissoirs nicht ganz verdrängen. Eine leichte Übelkeit stieg in Dom auf. Er schluckte das Valium ohne Wasser.
In dieser Nacht wurde er trotz der Tabletten von dem Traum heimgesucht, und diesmal erinnerte er sich nach dem Erwachen an mehr als nur an den Teil, wo jemand seinen Kopf ins Waschbecken presste.
In seinem Alptraum war er in einem Bett in einem ihm unbekannten Zimmer, das voller öligem safranfarbenem Nebel zu sein schien. Vielleicht war dieser gelbe Schleier aber auch nur in seinen Augen, denn er konnte nichts klar erkennen. Verschwommen nahm er irgendwelche Möbelstücke wahr, und mindestens zwei Personen waren anwesend. Aber diese Gestalten kräuselten und krümmten sich, als bestünden sie nur aus Rauch und Flüssigkeit, als hätten sie keine feste Erscheinungsform.
Er fühlte sich wie unter Wasser, wie tief unter der Oberfläche eines mysteriösen, kalten Sees. Der Atmosphärendruck an jenem Traumort war stärker als der von Luft. Er konnte kaum atmen. Jeder Atemzug bereitete ihm Qualen. Er spürte, dass
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