Schwarzer Mond: Roman
Nacht keinen Zentimeter von der Stelle bewegt.
Als er sich jedoch an die Arbeit machen wollte und den Textcomputer einschaltete, fand er zu seiner großen Bestürzung auf der Diskette einen unwiderlegbaren Beweis für neuerliches Schlafwandeln. Offensichtlich war er, wie schon einige Male zuvor, in seiner Trance zum Computer gegangen und hatte etwas getippt. Bei den früheren Gelegenheiten hatte es sich um unzählige Wiederholungen des Satzes >Ich habe Angst< gehandelt, aber diesmal hatte er zwei andere Wörter getippt:
Der Mond. Der Mond. Der Mond. Der Mond.
Der Mond. Der Mond. Der Mond. Der Mond.
Diese sieben Buchstaben standen Hunderte von Malen da, und ihm fiel sogleich ein, dass er die gleichen Wörter gemurmelt hatte, bevor er am letzten Sonntag eingeschlafen war. Dominick starrte lange auf den Bildschirm; ihm war kalt, aber er hatte nicht die geringste Ahnung, welche besondere Bedeutung >der Mond< für ihn haben konnte.
Die Therapie mit Valium und Dalmane war sehr wirksam.
Seit dem Wochenende war er - bis zu dieser Nacht - nicht mehr im Schlaf gewandelt, und seit jenem grässlichen Traum, in welchem man seinen Kopf tief in ein Waschbecken gedrückt hatte, war er auch von Alpträumen verschont geblieben. Er hatte Dr. Cobletz noch einmal aufgesucht, und der Arzt war über seine raschen Fortschritte sehr erfreut gewesen.
»Ich werde Ihnen neue Rezepte ausstellen«, hatte Cobletz gesagt, »aber Sie dürfen auf keinen Fall mehr als ein Valium pro Tag einnehmen - allerhöchstens zwei.«
»Das tu ich nie«, hatte Dom gelogen.
»Und nur ein Dalmane pro Nacht. Ich möchte nicht, dass Sie tablettensüchtig werden. Ich bin sicher, dass wir bis Neujahr Ihr Problem beseitigt haben werden.«
Dom glaubte, dass der Arzt mit dieser Prognose recht hatte, und deshalb wollte er Cobletz auch nicht mit dem Geständnis beunruhigen, dass es Tage gab, die er nur mit Hilfe des Valiums durchstand, und dass er nachts manchmal zwei oder sogar drei Dalmane einnahm und sie mit Bier oder Scotch hinunterspülte.
In wenigen Wochen würde er ja sowieso aufhören können, diese Tabletten einzunehmen, ohne befürchten zu müssen, dass der Somnambulismus wieder begann. Die Behandlung schlug an.
Das war das einzig Wichtige. Gott sei Dank, die Behandlung schlug an.
Bis jetzt.
Der Mond.
Frustriert und verärgert löschte er die Wörter von der Diskette. Hunderte eintöniger Zeilen. Viermal pro Zeile: >Der Mond<.
Er starrte lange auf den Bildschirm und wurde immer nervöser.
Schließlich nahm er ein Valium ein.
An diesem Morgen brachte Dom keine vernünftige Arbeit zustande, und um elf Uhr dreißig holten Parker Faine und er Denny Ulmes und Nyugen Kao Tran ab, die beiden Jungen, die ihnen von der Ortsgruppe Orange County der >Big Brothers of America< zugeteilt worden waren. Sie hatten einen gemütlichen Nachmittag am Strand geplant, mit anschließendem Abendessen bei >Hamburger Hamlet< und einem Kinobesuch, und Dominick hatte sich auf diesen Tag gefreut.
Er war schon vor Jahren in Portland den >Big Brothers< beigetreten. Es war das einzige Gesellschaftsprojekt gewesen, für das er sich je engagiert hatte, die einzige Sache, die ihn damals aus seinem Karnickelloch hatte hervorlocken können.
Er selbst hatte seine Kindheit bei zahlreichen Pflegeeltern verbracht, vereinsamt und zunehmend introvertiert. Er hoffte, eines Tages, wenn er verheiratet sein würde, Kinder adoptieren zu können. In der Zwischenzeit half er nicht nur den Kindern, wenn er sich ihnen widmete, sondern tröstete damit auch das einsame Kind in sich selbst.
Nyugen Kao Tran zog es vor, >Duke< genannt zu werden, in Anlehnung an John Wayne, dessen Film er liebte. Duke war dreizehn, der jüngste Sohn einer Familie von den >boat people<, die vor den Schrecken der >Friedenszeit< in Vietnam geflohen waren. Er war intelligent, hatte ein rasches Auffassungsvermögen, war mager und unglaublich flink. Sein Vater -der einen brutalen Krieg, ein Konzentrationslager und zwei Wochen in einem leichten Boot auf offenem Meer überlebt hatte -war vor drei Jahren während der Arbeitszeit in seinem Nebenjob als Nachtschichtverkäufer in einer >Seven-Eleven Denny Ulmes, der zwölfjährige Junge, der Parkers >kleiner Bruder< war, hatte seinen Vater durch ein Krebsleiden verloren.
Er war zurückhaltender als Duke, aber die beiden verstanden sich großartig, und deshalb unternahmen Dom und Parker
Weitere Kostenlose Bücher