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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Kopf, nahm Anlauf und rammte ihr die Schulter in die Brust. Sie hämmerte auf meinen Rücken ein, während ich sie rückwärts ans Geländer trieb. Sie mochte übermenschlich stark sein, aber ich war größer und schwerer. Vielleicht konnte ich sie so lange aufhalten, bis Verstärkung eintraf.
    Was doch sicher nicht mehr lange dauern konnte.
    Sie prallte mit dem Rücken ans Geländer, und wir kamen bebend zum Stehen. Ich versuchte sie am Knie zu packen und umzureißen, aber sie versetzte mir einen Schlag gegen die Schläfe, der mir kurz die Orientierung raubte, und stieß mich so kräftig von sich, dass ich drei Meter entfernt auf der Seite landete. Ich schüttelte den Kopf und sah auf. Die Bleiche Lady kam direkt auf mich losgerannt, die Klamotten voll Blut und die Augen voll Mordlust. Jetzt hätte sie versuchen können zu entkommen; ich war nicht mehr in der Lage, sie weiter zu verfolgen. Aber ich glaube, sie wusste, dass sie keine Chance mehr hatte, und sie wollte zumindest einen dafür zahlen lassen. Dreimal dürfen Sie raten, wen.
    Ich hatte keine Zeit, eine Warnung zu rufen. Ich bautenur im Kopf die korrekte Gestalt auf und rief lauter, als ich eigentlich wollte: »
Impello!
«
    Der Zauber hob sie von den Füßen und schleuderte sie gegen das Geländer zurück   – und dann, es dauerte nur einen entsetzlichen Moment, kippte sie nach hinten und verschwand.

 
    Das Atrium in der Mitte des Trocadero Centre ist vier Stockwerke hoch, hinzu kommt das nach oben offene Untergeschoss. Der Raum wird von einem planlos anmutenden Zickzack aus Rolltreppen durchzogen, vermutlich weil die Architekten sich einig waren, dass Orientierungslosigkeit und fast unmöglich zu findende Toiletten entscheidend zum Einkaufserlebnis beitragen. Viel später sagte man mir, dass die Bleiche Lady im Fallen gegen den Handlauf einer Rolltreppe prallte; vielleicht hatte sie sogar versucht, auf der Treppe zu landen, und sie nicht ganz erreicht. Bei dem Aufprall brach ihre Wirbelsäule an zwei Stellen, aber sie war noch am Leben, als sie mit dem Kopf voran auf dem Boden auftraf.
    Sofort tot, sagte Dr.   Walid.
    Ein Fall aus dreißig Metern Höhe mit einer Geschwindigkeit von zehn Metern pro Sekunde   – das sind nach meiner Rechnung zirka zweieinhalb Sekunden, in denen man den Boden immer näher kommen sieht. Nicht das, was ich »sofort« nennen würde.
    Die Verstärkung war noch eine Minute von uns entfernt. Sie konnte den Sturz beobachten und war zur Stelle, um den Bereich abzusichern und die Zeugen zu befragen.Auch ich machte eine kurze Aussage vor Stephanopoulos, aber dann bestand Nightingale darauf, dass wir schleunigst in die Notaufnahme gingen. Und so fand ich mich in der Notfallambulanz des UCH wieder, und Dr.   Walid sah dem jungen Assistenzarzt, der mich behandelte, über die Schulter und machte ihn ganz nervös. Dann fiel Dr.   Walid auf, dass Nightingale ein bisschen blass war und schwankte, und zwang ihn, sich in der benachbarten Behandlungskabine hinzulegen. Der Assistenzarzt entspannte sich sichtlich und fing an zu plaudern, während er meine verschiedenen Kratzer und Prellungen behandelte, aber ich erinnere mich nicht, was er so erzählte. Dann eilte er davon, um mich zum Röntgen anzumelden, und ich blieb allein mit einer rothaarigen australischen Krankenschwester, die ich schon vom Punchinella-Fall kannte. Sie zwinkerte mir zu, während sie mir das Blut vom Gesicht tupfte und einen Schnitt in meiner Wange, den ich noch nicht einmal bemerkt hatte, mit Wundkleber schloss.
    »Der Segen des Flusses sei mit dir«, verabschiedete sie sich von mir, als man mich zum Röntgen davonfuhr. Nach ein paar Aufnahmen wurde ich zurück in die Kabine gefahren, wo ich in meinem zugigen Krankenhauskittel ungefähr eine Stunde lang herumliegen durfte. Vielleicht auch länger, denn ich glaube, irgendwann dämmerte ich weg. Da es Samstagnacht war, gab es eine ständige Geräuschkulisse aus betrunkenem Zetern und Stöhnen, durchsetzt von den Ermahnungen meiner Kollegen von der Obrigkeit, endlich Ruhe zu geben. Einmal steckte Dr.   Walid den Kopf herein und informierte mich, dass er Nightingale über Nacht dabehielte. Ich bat um etwas Wasser; er fühlte mir die Stirn und verschwand.
    Ein paar Kabinen weiter jammerte jemand mit Liverpooler Akzent, dass er einfach nur nach Hause wolle. Der Arzt entgegnete, er müsse ihm zuerst das Bein einrenken. Der Liverpooler bestand darauf, dass er sich bestens fühle, und der Arzt erklärte, man müsse

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