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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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warten, bis der Alkoholpegel so weit gesunken wäre, dass man ihn betäuben könne.
    »Ich will nach Hause«, sagte der Liverpooler.
    »Sobald wir Sie versorgt haben«, gab der Arzt zurück.
    »Nicht hier nach Hause«, wehklagte der Patient. »Ich will heim nach Liverpool.«
    Ich war mir nicht sicher, ob die Neonleuchten oder der trübselige Liverpooler mir mehr Kopfschmerzen verursachten.
    Dann kam Dr.   Walid mit Wasser und einigen Ibuprofentabletten wieder. Er konnte sich aber nicht lange aufhalten, weil er sich eine brandneue Leiche anschauen musste. Wiederum einige Zeit später kam der Assistenzarzt zurück.
    »Sie können jetzt nach Hause gehen«, sagte er. »Gebrochen ist nichts.«
    Ich glaube, ich ging zu Fuß zurück zum Folly   – so weit weg ist es ja nicht.
    Am nächsten Morgen war der Frühstückstisch nicht gedeckt. Als ich in die Küche ging, um herauszufinden warum, saß Molly mit dem Rücken zur Tür auf dem Küchentisch. Toby saß neben ihr, aber er sah wenigstens auf, als ich eintrat.
    »Ist was nicht in Ordnung?«, fragte ich.
    Sie regte sich nicht. Toby winselte.
    »Dann geh ich mal woanders frühstücken«, sagte ich. »Im Park.«
    Molly schien das sehr recht zu sein.
    Toby sprang auf und folgte mir nach draußen.
    »Opportunist«, sagte ich zu ihm.
    Er kläffte. Seiner Ansicht nach ist eine Wurst nun mal eine Wurst.
    Das Folly liegt an der Südseite des Russell Square. Der Platz hat in der Mitte einen kleinen Park mit Schotterwegen, hohen Bäumen von mir unbekannter Art, einem Brunnen, der speziell dafür gebaut wurde, Hunde und kleine Kinder völlig zu durchnässen, und einem Café auf der Nordseite, in dem man ein anständiges Frühstück mit zwei Würstchen, Frühstücksspeck, Black Pudding, Eiern und Pommes frites bekommt. Es war ein sonniger Morgen, also setzte ich mich auf die Terrasse vor dem Café und schob mir mechanisch das Essen in den Mund. Irgendwie schmeckte es nach nichts, und am Ende stellte ich meinen Teller auf den Boden und überließ Toby den Rest.
    Im Folly lag hinter dem Haupteingang ein Haufen Werbepost auf dem Boden. Ich hob sie auf. Es handelte sich hauptsächlich um Flyer von Pizza- und Kebabläden sowie ein unbeholfen bedrucktes Werbeblättchen eines ghanaischen Wahrsagers, der absolut sicher war, dass wir von seinen Einblicken in zukünftige Ereignisse sehr profitieren könnten. Ich ließ alles in den Zeitschriftenständer fallen, den Molly zu diesem Zweck im Atrium aufgestellt hatte.
    Da ich mich etwas mulmig fühlte, ging ich zur Toilette und würgte mein Frühstück wieder heraus. Dann legte ich mich ins Bett und schlief ein.
    Als ich am späten Nachmittag erwachte, war ich völligmatschig und so durcheinander, wie man sich nun mal fühlt, wenn man ohne guten Grund einen ganzen Tag verschlafen hat. Ich tappte den Flur entlang und ließ die löwenprankige Monstrosität, die wir statt einer vernünftigen Dusche haben, voll Badewasser laufen, so heiß, dass es gerade noch zu ertragen war, jaulte auf, als das Wasser über die Wunden an meinem Oberschenkel schwappte, und blieb so lange drin, bis meine Muskeln sich entkrampften und es mir langweilig wurde, Louis Armstrong zu spielen und
Ain’t Misbehavin’
zu schmettern. Wegen des Schnitts in meiner Wange war eine Rasur nicht ratsam, also beließ ich es beim männlich-unwiderstehlichen Stoppel-Look und machte mich auf die Suche nach frischer Kleidung.
    Als ich noch zu Hause wohnte, hätte nichts meine Mum aus meinem Zimmer fernhalten können, außer vielleicht einer Sicherheits-Stahltür, aber selbst da bin ich mir nicht sicher. Daher habe ich bis heute kein Problem damit, wenn Leute in meinem Zimmer ein- und ausgehen, vor allem, wenn sie dort nichts anderes tun, als aufzuräumen und sich um meine Wäsche zu kümmern. Ich zog Khakihosen, mein gutes Hemd und meine besten Schuhe an und sah in den Spiegel. Miles Davis wäre stolz auf mich gewesen; alles, was noch fehlte, war die Trompete. Wenn man so gut aussieht, ist der nächste Schritt geradezu zwingend, und so nahm ich mein Handy und rief Simone an.
    Es funktionierte nicht   – trotz meines selbstgebastelten Sicherungsmechanismus war der Chip krepiert, als ich mich magisch gegen die Bleiche Lady gewehrt hatte.
    Ich nahm eines meiner Ersatzhandys aus der Schreibtischschublade, ein zwei Jahre altes primitives Nokia mit Prepaid-Karte. Meine Standardnummern waren schon daringespeichert, also fügte ich die von Simone hinzu und rief sie an.
    »Hi, Baby. Willst du mit

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