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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Laken waren sauber, das Bett stabil, und es gab ein kleines Kabuff mit Dusche und Klo. Die Wände waren ein bisschen dünn, aber das merkten wir erst, als die von nebenan gegen die Wand hämmerten. Das war bei der letzten Runde   – sie dauerte schätzungsweise zwei Stunden und führte dazu, dass wir am nächsten Morgen einen etwas komischen Gang hatten.
    Dann durften wir in unserem stabilen, aber gemütlichen Bett liegen bleiben und träge dem Londoner Schlaflied aus Polizeisirenen, rangierenden Zügen und lautem Krakeelen lauschen.
    »Peter«, sagte sie, »es bleibt doch bei morgen, oder?«
    »Morgen?«
    »Der Gig von deinem Dad. Du hast gesagt, ich darf kommen. Du hast es versprochen.«
    »Ja, klar. Wir treffen uns dort.«
    »Gut«, murmelte sie und schlief in meinen Armen ein.
     
    Über Camden Market sollte man wissen, dass er völlig ungeplant entstanden ist. Bevor Camden Town in einem Haps von London verschluckt wurde, war es im Grunde eine Straßenkreuzung, die hauptsächlich durch den dort befindlichen Gasthof namens Mother Red Cap bekannt war. Hier gab es die letzte Gelegenheit, sich ein anständiges Bier oder den Tripper zu holen oder bis aufs Hemd ausgeraubt zu werden, bevor man nach Norden in die Wildnis von Middlesex aufbrach. Anfang des 19.   Jahrhunderts wurde von Herren im Gehrock mit würdevollen Koteletten gleich nördlich des Gasthofs der östliche Teil des Regents Canal gebaut. Also, die eigentliche Arbeit erledigten natürlich etwa zweitausend stramme Burschen aus Irland, die wegen ihres Jobs Inland-Navigatoren oder Navvies genannt wurden. Sie und die Navvies nach ihnen waren es, durch deren Hände Arbeit nacheinander die drei infrastrukturellen Schwergewichte in der Geschichte der industriellen Revolution entstanden: die Kanäle, die Eisenbahn und die Straßen. Das weiß ich deshalb, weil ich in der Grundschule ein Modell der Gegend gebaut habe und mir dafür einen goldenen Stern, eine Belobigung und den ewigen Hass von Barry Sedgeworth einhandelte, einem Spielplatztyrannen und wirklich schlechten Verlierer. Zwei wichtige Schleusen des Kanals lagen in der Nähe der Chalk Farm Road, und von der Camden-Schleuse erhielt der Markt seinen Namen. Am Kanal entlang zogen sich riesige Lagerhäuser und ein großes Holzhandelsunternehmen.
    In den 1960er Jahren beschloss die Londoner Stadtplanungsbehörde (deren inoffizielles Motto lautete:
Wir bringen zu Ende, was die Luftwaffe angefangen hat
), dass London noch etwas Entscheidendes fehlte, nämlich ein Ring von Schnellstraßen genau durchs Herz. Dieser glücklicherweise zum Scheitern verurteilte Plan brachte es mit sich, dass eigentlich lukratives Land, auf dem mehrstöckige Parkhäuser oder städtisch geförderte Kaninchenställe hätten entstehen können, stattdessen an ein Trio von Londoner Kleinganoven in Hippiemänteln verpachtet wurde. Diese aufgeweckten Burschen ließen ein paar Kunsthandwerker in das ehemalige Holzlager einziehen und hielten am Wochenende einen Markt ab, auf dem die dort entstandenen Produkte verkauft wurden. Mitte der Achtziger hatte sich der Markt rechts und links die Chalk Farm Road entlang bis hin zum Electric Ballroom ausgebreitet, und der Stadtrat von Camden gab es endlich auf, ihn verbieten zu wollen. Gegenwärtig ist er die Londoner Touristenattraktion mit den zweithöchsten Besucherzahlen und beherbergt unter anderem den Arches-Jazzclub, wo mein Dad mit den Hilfstruppen sein Comeback zu feiern gedachte.
    Die Hilfstruppen waren sehr nervös, aber meinen Dad ließ das Ganze bemerkenswert kalt.
    »Da hatte ich schon ganz andere Gigs. Ich hab mal mit Joe Harriott in einem Keller in Catford gespielt. Nach dem Erlebnis hab ich nie wieder Lampenfieber gehabt.«
    Der Arches-Jazzclub war in der Frühzeit des Marktes ein übel beleumdetes Loch in einem ehemaligen Lagerschuppen unter dem steinernen Bogen einer Eisenbahnbrücke gewesen   – daher der Name. Als der Markt aufblühte,war der Club in eines der Gebäude auf der Westseite direkt an der Horse Bridge gezogen, wo die Gäste vor dem Gig draußen sitzen und die Aussicht über das Wasser bewundern konnten. Mein Dad versicherte mir, dass man heutzutage auch kaum mehr tote Hunde im Kanal treiben sah.
    Lord Grant und seine Hilfstruppen waren die Vorgruppe und daher als erste dran. Daniel und Max richteten auf der Bühne schon die Instrumente und machten den Soundcheck. Noch waren nicht viele Gäste da; die meisten saßen draußen, rauchten noch gemütlich eine Zigarette oder

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