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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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genossen ihren Drink. Ich fragte, wo James war.
    »Der huldigt der Kloschüssel«, sagte Daniel. »Macht sich total verrückt.«
    Ich sah zu meiner Mum hinüber, die ihr bestes Sonntagskleid anhatte und nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Sie winkte mir schwach zu. Ich signalisierte ihr, dass ich draußen auf Simone warten würde. Sie nickte und folgte mir.
    Jetzt, Ende September, wurde es schon vor sieben Uhr dunkel, aber es war wolkenlos, und im letzten Licht der Sonne erstrahlte die Backsteinmauer der Schleuse leuchtend orangegolden. Ich sah Simone aus der Chalk Farm Road einbiegen. Sie winkte mir fröhlich zu und stöckelte mit wiegenden Hüften auf ihren hochhackigen Riemchensandaletten auf uns zu   – solchen, wie meine Mum sie sich gelegentlich kauft, aber nie trägt. Offenbar war heute ’80er-Nacht, denn sie hatte ihr Haar unter einem breitkrempigen Hut hochgesteckt, und ihr durchsichtiges Top war nur deshalb öffentlichkeitstauglich, weil sie die Jacke darüber einigermaßen zugeknöpft hatte.
    Ich drehte mich zu meiner Mum um. »Das ist Simone.«
    Sie sagte gar nichts, was mich etwas wunderte. Dann ballte sie die Hände zu Fäusten und marschierte an mir vorbei. »Verschwinde, du Schlampe«, schrie sie.
    Simone blieb abrupt stehen und starrte meine anrückende Mum und dann mich an. Bevor ich reagieren konnte, hatte Mum sie erreicht und verpasste ihr eine so gewaltige Ohrfeige, dass Simone rückwärts taumelte.
    »Verschwinde!«
    Mit schockiertem, wütendem Gesicht, eine bleiche Hand auf der getroffenen Wange, trat Simone ein paar Schritte zurück. Ich hastete los, um Mum zurückzuhalten, aber die hatte schon mit der Linken Simones Haare gepackt und zerrte mit der Rechten an deren Jacke. Simone schlug schreiend um sich und versuchte sich loszureißen, während meine Mum ihr das Netztop zerfetzte.
    Man schlägt seine Mum nicht, nicht einmal dann, wenn sie gerade die eigene Freundin fertigmacht. Man wirft sie auch nicht in Rugby-Manier zu Boden oder verdreht ihr die Arme auf den Rücken oder macht irgendwas von den anderen Sachen mit ihr, die ich für den Umgang mit gewalttätigen Individuen gelernt hatte. Schließlich packte ich ihre Handgelenke und schrie ihr, so laut ich konnte, ins Ohr: »Aufhören!«
    Sie ließ Simone los, die sich eilig in Sicherheit brachte, und wirbelte zu mir herum.
    »Was tust du?«, verlangte sie zu wissen, schüttelte meine Hände ab und gab mir eine gepfefferte Ohrfeige. »Was tust du, frage ich?«
    »Was ich tue?«, gab ich zurück. »Was tust
du
, verdammt noch mal?«
    Dafür bekam ich eine zweite Ohrfeige, aber diesmal nur eine nachlässige, bei der mir nicht die Ohren klingelten. »Wie kannst du es wagen, die Hexe hierherzubringen?«, rief sie.
    Ich sah mich um, aber Simone hatte sich klugerweise aus dem Staub gemacht.
    »Sag mir gefälligst, was los ist, Mum«, brüllte ich.
    Sie zischte etwas auf Krio   – es waren Wörter, die ich ganz sicher noch nie im Leben gehört hatte. Dann richtete sie sich zu voller Höhe auf und spuckte auf den Boden. »Halt dich fern von ihr. Sie ist eine Hexe. Erst war sie hinter deinem Vater her und jetzt hinter dir.«
    »Was meinst du damit, hinter meinem Vater?«, fragte ich. »Hinter Dad   – wie?«
    Meine Mum sah mich mit dem Blick an, mit dem sie mich immer bedachte, wenn ich etwas fragte, was sie für sonnenklar hielt. Jetzt, da Simone außer Sicht war, schien sie sich allmählich zu beruhigen. »Sie war hinter deinem Vater her, als wir uns trafen.«
    »Wo trafen?«
    »Als wir uns kennenlernten«, sagte sie langsam und deutlich. »Bevor du geboren wurdest.«
    »Mum«, sagte ich. »Sie ist in meinem Alter. Sie kann unmöglich dabei gewesen sein, als du Dad kennengelernt hast.«
    »Das versuche ich dir doch gerade klarzumachen«, entgegnete sie nüchtern. »Dass sie eine bösartige Hexe ist.«

 
    Sie saß auf dem Bürgersteig vor dem Piercing-Laden neben dem Kentucky Fried Chicken. Sie sah mich wohl kommen, denn sie sprang auf, zögerte kurz, drehte sich dann ruckartig um und ging davon. Wegen ihrer High Heels fiel es mir nicht schwer, sie einzuholen. Ich rief ihren Namen.
    »Schau mich nicht an«, sagte sie.
    »Ich kann nicht anders.«
    Sie blieb stehen. Bevor sie protestieren konnte, zog ich sie in die Arme. Sie erwiderte die Umarmung und legte ihr Gesicht an meine Brust. Ein Schluchzer entfuhr ihr, dann fing sie sich wieder und holte tief Luft.
    »Was in aller Welt war das?«
    »Meine Mum«, sagte ich. »Sie regt sich

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