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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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geschrottet, denn jetzt hätte ich die Aufnahmefunktion echt gut brauchen können.
    »Der Zuckerguss auf meinem Geburtstagskuchen.« Offensichtlich war es in Cosgrove Hall Tradition, dass sich jedes Geburtstagskind die Farbe des Zuckergusses aufdem Geburtstagskuchen aussuchen durfte. Natürlich war es Ehrensache, dass die Jubilarin eine möglichst abwegige Farbe wählte, besonders beliebt waren Lila und Orange mit blauen Punkten. Die Küche schaffte es immer, die Farbe herzustellen, und die Mädchen waren überzeugt, dass das mit Hilfe zermahlener Käfer geschah.
    Ja, in der guten alten Zeit, als es noch keine E-Stoffe und Lebensmitteltechniker gab, dachte ich. Und genau da wollte ich hin. Erfreulicherweise beschloss der iPod in diesem Moment, das letzte Stück der Playlist zu spielen   – Ken »Snakehips« Johnsons höchsteigene Version von
Body and Soul
. Mir ist egal, was Puristen wie mein Dad denken. Wenn man tanzen will, geht nichts über einen Hauch Swing. Simone fand das offenbar auch, denn sie hörte auf, an meinen Kleidern herumzuzerren, und begann stattdessen, mich in kleinen Kreisen quer durch die Remise zu schwenken. Sie führte, aber dagegen hatte ich gar nichts   – im Gegenteil, es gehörte zum Plan.
    »Hast du ihn jemals live gehört?«, fragte ich. »Ken Johnson?«
    »Nur das eine Mal.«
    Im März 1941 natürlich.
    »Es war unser letzter Tag in Freiheit«, erzählte sie. »Wir hatten uns verpflichtet, kaum dass wir alt genug waren.« Cherie war in den freiwilligen Armeedienst eingetreten, Peggy hatte sich zum Frauenkorps der Marine gemeldet. Simone hatte sich für den Dienst bei der Royal Air Force entschieden, weil sie gehört hatte, da bestünde die Chance, dass sie mal fliegen dürfe. »Oder wenigstens einen attraktiven Piloten kennenzulernen, der mich in seiner Kiste mitnimmt.« Peggys kanadischer Onkel war es gewesen,der sie ins Café de Paris hineingeschleust hatte, und Cherie hatte berechnet, dass sie knapp mit ihren Moneten auskommen würden, wenn sie nichts zu essen und nicht mehr als ein Getränk pro Nase bestellten.
    Simone schmiegte die Wange an meine Brust, und ich strich ihr übers Haar.
    »Wir hatten sicherlich nicht den besten Tisch«, sagte sie. »Er war geradezu winzig und stand überhaupt nicht günstig. Wenn man sich die Band auf sechs Uhr vorstellt, saßen wir etwa auf halb zwei.«
    Der Club war voller kanadischer Offiziere. Einer davon ließ ihnen eine Flasche Champagner an den Tisch bringen, was eine lebhafte Diskussion darüber auslöste, wie schicklich es sei, sie anzunehmen, die damit endete, dass Peggy einfach ihr Glas in einem Zug leerte. Hierauf entspann sich eine zweite Diskussion, wie man es anstellen könne, den Kanadiern noch eine Flasche abzuluchsen, und was   – wie Cherie düster fragte   – sie wohl als Gegenleistung erwarten würden?
    Peggy meinte, ihrethalben sollten die Kanadier verlangen, was sie wollten. Tatsächlich war sie der Meinung, es sei ihre patriotische Pflicht, die tapferen Soldaten des Commonwealth herzlich aufzunehmen, und sie sei vollauf bereit, diese Pflicht zu erfüllen und dabei an England zu denken.
    Aber es wurde nichts aus der zweiten Flasche Champagner und der wohlverdienten Belohnung für die Kanadier. Denn in diesem Moment erklang
Body and Soul
, und die Mädchen hatten nur noch Augen für Ken Johnson.
    »Niemand hatte mir je gesagt«, sagte Simone, »dass ein farbiger Mann so schön sein konnte. Und wie er sich bewegte– kein Wunder, dass er Snakehips genannt wurde.« Sie sah mich stirnrunzelnd an. »Du hast mich schon ewig nicht mehr geküsst.«
    Sie begann zu schmollen, daher küsste ich sie. Es war das Dümmste, was ich je getan habe, sogar noch dümmer als in diesen Wohnblock hineinzurennen, der in dreißig Sekunden gesprengt werden sollte.
    Vestigia
sind gewöhnlich schwer zu identifizieren. Sie sind das unbehagliche Gefühl, das einen beim Betreten eines Friedhofs beschleicht, oder die angedeutete Erinnerung an Kinderlachen auf einem Spielplatz, oder ein vertrautes Gesicht im Augenwinkel. Dieser Kuss aber bescherte mir schonungslos und live die letzten Momente von Ken Johnson und vier Dutzend anderer Menschen im Café de Paris in 3D-HDTV.   Ich hatte nicht viel Zeit, die Atmosphäre zu genießen. Gelächter, Uniformen, ein Swingorchester auf der Höhe seiner Kunst, und dann   – Stille.
    In der Renaissance, einer Zeit, in der Kunst, Kultur und pausenlose blutige Kriegführung es zu ungeahnter Blüte brachten, waren

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