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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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davonstöckelte.
    Oh, Lesley würde mich umbringen.
     
    Damals in den alten Zeiten hingen mein Dad und seine Kumpels in der Hoffnung auf Arbeit ständig in der ArcherStreet herum, wo die Musikergewerkschaft ihren Sitz hatte. Ich hatte mir das immer so vorgestellt, dass auf dem Bürgersteig vereinzelte Grüppchen von Musikern herumstanden und ein Schwätzchen hielten. Dann sah ich mal ein Foto, auf dem die gesamte Straße nur so von Männern in billigen Anzügen und mit knautschigen Hüten auf dem Kopf wimmelt, die Instrumentenkoffer mit sich herumschleppen wie arbeitslose Mafiosi. Mein Dad erzählte, irgendwann seien das Gedränge und die Konkurrenz so groß geworden, dass die Bands geheime Handzeichen entwickelt hätten, um sich über die Menge hinweg zu verständigen   – eine langsam ausgefahrene Faust bedeutete einen Posaunisten, die flache Hand mit Handfläche nach unten einen Schlagzeuger, flatternde Finger einen Trompeter oder Kornettspieler. So konnte man sich die Freundschaft zu seinen Kumpels in der Menge erhalten und ihnen gleichzeitig einen Gig im Savoy oder im Café de Paris vor der Nase wegschnappen. Mein Dad pflegte zu sagen, man hätte nur die Archer Street entlanggehen müssen und hätte in Nullkommanichts zwei komplette Orchester und eine Bigband zusammengehabt, plus genug Leute für ein paar Quartette und einen Soloklimperer für das Klavier im Lyons Corner House.
    Heutzutage organisieren die Musiker ihre Auftritte per SMS und Internet, und die Musikergewerkschaft hat sich auf die andere Seite der Themse in die Clapham Road verlagert. Es war zwar Sonntag, aber in der Annahme, dass die Musik genau wie das Verbrechen niemals schläft, rief ich dort an. Es ging tatsächlich jemand dran, und nachdem ich ihn davon überzeugt hatte, dass es sich um eine Polizeiangelegenheit handelte, gab er mir die Handynummervon Tista Ghosh, zuständig für die Unterabteilung Jazz. Bei ihr meldete sich die Mailbox. Ich hinterließ meinen Namen und einen unbestimmten Eindruck der Dringlichkeit, ohne etwas Konkretes zu sagen. Niemals etwas aufzeichnen lassen, was man nicht auch in YouTube stellen würde, ist meine Devise. Ms. Ghosh rief zurück, als ich gerade das Auto erreicht hatte. Sie hatte diesen unverkennbaren gedrechselten Mittelklasse-Akzent, den man bekommt, wenn man von Kindesbeinen an Englisch als Zweitsprache lernt. Sie fragte, was ich wolle. Ich erklärte, ich müsse mit ihr über plötzliche Todesfälle unter ihren Mitgliedern sprechen. »Muss das heute sein?«, fragte sie. Im Hintergrund spielte eine Band
Red Clay
.
    Ich versicherte ihr, ich wolle versuchen, die Vernehmung so kurz wie möglich zu halten. Das Wort »Vernehmung« benutze ich gern, weil nicht wenige Mitbürger darin den ersten Schritt auf dem Pfad der Justiz sehen, der über die »Unterstützung der Polizei bei ihren Ermittlungen« geradewegs in eine enge Zelle Ihrer Majestät führen kann, wo du deinem fetten schwitzenden Zellengenossen ausgeliefert bist, der sich nicht davon abbringen lässt, dich Susan zu nennen.
    Ich fragte sie, wo sie gerade sei.
    »The Hub im Regent’s Park. Jazz in the Open Air Festival.«
    Tatsächlich war es, wie ich später auf einem Plakat am Eingang sah, die LETZTE CHANCE FÜR DAS JAZZ IN THE OPEN AIR FESTIVAL, gesponsert von einem früher als Cadbury Schweppes bekannten Unternehmen.
    Vor fünfhundert Jahren ersann der, wie jeder weiß, ziemlich ausgebuffte Heinrich VIII. eine elegante Methode,um seine theologischen und pekuniären Probleme auf einen Schlag loszuwerden: Er löste die Klöster auf und riss sich ihre Ländereien unter den Nagel. So auch ein Gebiet nördlich von Marylebone. Und da das oberste Prinzip einer reichen Person, die reich bleiben will, lautet: Gib nichts weg, außer es geht wirklich nicht anders, gehört dieses Land bis heute der Krone. Dreihundert Jahre später engagierte der Prinzregent den Architekten John Nash, um darauf einen großen Palast sowie einige elegante Häuserzeilen zu errichten, die er vermieten konnte, zur Finanzierung seiner heroischen Bemühungen, sich mit Hilfe von ausschweifenden Orgien zeitnah zu Tode zu befördern. Der Palast wurde nie gebaut, aber die Häuserzeilen   – die Terraces   – und die Ausschweifungen gehören zu den wesentlichen Merkmalen seiner Regierungszeit, genau wie der Park, der nach ihm benannt ist. Das eine Ende des Parks, die Northern Parklands, besteht zum größten Teil aus Spielplätzen und Sportanlagen. Ihre Mitte bildet der Hub, ein

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