Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
lieber nicht reden – er ist die Jazzpolizei.«
Ich verabschiedete mich von Ms. Ghosh und hoffte, dass sie mich trotz der Clowns ernst genug nahm, um mir die Informationen herauszusuchen. Die Hilfstruppen willigten ein, mir als Entschädigung für mein ramponiertes Ansehen etwas zu trinken zu spendieren.
»Was machen Sie hier?«, fragte ich.
»Wo man swingt, da lass dich ruhig nieder«, sagte James.
»Eigentlich sollten wir hier auftreten«, erläuterte Daniel. »Aber ohne Cyrus …« Er zuckte mit den Schultern.
»Konnten Sie keinen Ersatz finden?«
»Nicht ohne unseren Standard zu senken«, sagte James.
»Der zugegebenermaßen ohnehin nicht sehr hoch war«, fügte Max hinzu. »Sie spielen nicht zufällig?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Schade. Nächste Woche sollten wir im ›Arches‹ spielen.«
»Wir waren die zweitletzte Band für den Abend«, sagte Daniel betrübt.
Ich fragte ihn, ob er noch etwas anderes spielen könne als Klavier.
»Mit meiner Gibson komm ich auch ganz gut klar.«
»Würden Sie gern mit einem Mann spielen, der fast eine Jazzlegende ist?«
»Wie kann man fast eine Jazzlegende sein?«, fragte Max.
»Halt die Klappe«, sagte James. »Der Mann redet von seinem Vater. Sie reden von Ihrem Vater?«
Es entstand eine Pause – es war allgemein bekannt, dass mein Dad seinen Ansatz verloren hatte. Daniel war es, der zwei und zwei zusammenzählte. »Er hat sich auf ein anderes Instrument verlegt, ja?«
»Keyboard«, sagte ich.
»Ist er denn gut?«, fragte Max.
»Besser als ich auf jeden Fall«, sagte Daniel.
»Lord Grant«, stieß James aus. »Das ist ja cool.«
»Verdammt cool«, sagte Max. »Glauben Sie denn, dass er mitmachen würde?«
»Ich werd’s rausfinden«, sagte ich. »Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.«
»Danke«, sagte Daniel.
»Danken Sie mir nicht, Mann. Ich tue nur meinen Job.«
Die Jazzpolizei, dein Freund und Helfer. Falls mein Dad einverstanden war – woran ich kaum Zweifel hatte. Das Arches lag an der Camden-Schleuse, ganz in der Nähe unserer Wohnung, die Logistik würde also einfach zu bewältigen sein. Ich würde Mum bitten, die Proben zu organisieren. Das machte ihr bestimmt Spaß.
Erst nachdem ich dieses Angebot gemacht hatte, wurde mir klar, dass ich meinen Dad noch nie vor Publikum hatte spielen hören. Die Hilfstruppen waren so verzückt, dass sie mir das Du und noch ein Pint aufdrängten – nein, so viele Pints, wie ich wollte, aber ich blieb bei dem einen,weil ich ja noch fahren musste. Das stellte sich als klug heraus, denn zehn Minuten später rief Stephanopoulos an.
»Wir durchsuchen gerade Dunlops Wohnung«, sagte sie. »Dabei sind ein paar Sachen aufgetaucht, die Sie sich mal anschauen sollten.« Sie gab mir eine Adresse in Islington.
»Ich bin in einer halben Stunde da«, versprach ich.
Jason Dunlop hatte im Tiefparterre eines umgebauten viktorianischen Reihenhauses in der Barnsbury Road gewohnt. Die Dienstbotenquartiere vorangegangener Ären hatten sich ganz unter der Erde befunden, aber die Viktorianer, die ja große Weltverbesserer waren, vertraten die Meinung, dass auch die Geringsten unter ihren Zeitgenossen in der Lage sein sollten, die Füße derer zu sehen, die an den Häusern ihrer Herrschaften vorbeigingen – so entstand das Tiefparterre. Ein weiterer Vorteil war natürlich das wegen des besseren Lichts eingesparte Geld für Kerzen, denn wer den Pfennig nicht ehrt und so weiter.
Die Wohnung hatte jungfräulich weiße Wände ohne jede Dekoration – keine gerahmten Fotos, keine Monet- oder Klimt-Drucke, nicht mal pokernde Hunde. Die Einbauküche war brandneu und billig. Das roch nach Vermieterwerk, und zwar erst kürzlich. Auch die halbvollen Umzugskartons im Wohnzimmer sprachen dafür, dass Jason hier noch nicht lange gewohnt hatte.
»Unschöne Scheidungsgeschichte«, sagte Stephanopoulos, als sie mich herumführte.
»Hat sie ein Alibi?«
»Bisher ja.« Ach, die Freuden einer Ermittlung, wenn die Angehörigen zugleich Opfer und Verdächtige sind –was war ich froh, dass mir dieser Teil erspart blieb. Die Wohnung hatte nur ein Schlafzimmer. In eine Ecke waren mehrere maskulin aussehende Koffer geschoben worden, die Wand entlang reihten sich Umzugskartons mit Spurensicherungspulver auf den Deckeln. Stephanopoulos zeigte mir einen Haufen Bücher, ordentlich auf einer Plastikfolie neben dem Bett aufgestapelt.
»Sind die schon untersucht?«, fragte ich.
Sie bejahte, aber ich zog mir trotzdem
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