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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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breiter künstlicher Hügel mit einem darin eingebauten Pavillon und einigen Umkleideräumen. Seine drei Eingänge sehen aus wie die Zufahrten zu einem Flugzeugbunker, was den Eindruck erweckt, es ginge hier zum Hauptquartier eines Superschurken. Obendrauf befindet sich ein rundum verglastes Café mit 36 0-Grad -Panoramablick über den gesamten Park, in dem man sitzen, Tee trinken und die Weltherrschaft planen kann.
    Es war sonnig, aber in der Luft lag schon eine warnende Kühle. Im August wäre die Menschenmenge vor der für das Festival aufgestellten Bühne und auf dem betonierten Vorplatz des Cafés halbnackt gewesen, aber jetzt, Mitte September, hatte man die Pullover wieder von der Taillelosgeknotet und die Ärmel heruntergekrempelt. Dennoch war das Licht so golden, dass man sich noch mindestens einen weiteren Tag lang vormachen konnte, London sei eine Stadt der Straßencafés und des Open-Air-Jazz.
    Die derzeitige Band spielte etwas Fusion-artiges, was selbst ich nicht als Jazz bezeichnet hätte, daher war ich nicht überrascht, Tista Ghosh mit einem Glas Weißwein hinter den Verpflegungszelten zu finden, wo man die Musik nur gedämpft hörte.
    »Ich hoffe, Sie geben mir einen aus«, sagte sie. »Dieses australische Zeug hält nicht mehr lange vor.«
    Warum nicht, dachte ich. Schon die ganze Woche lassen sich alle von mir aushalten, warum sollte sich das hier und jetzt ändern?
    Ms. Ghosh war eine schlanke Frau mit hellem Teint und scharfgeschnittener Nase, die ihr schwarzes Haar in einem Pferdeschwanz trug und offenbar eine Schwäche für lange klimpernde Ohrringe hatte. Sie trug eine weiße Hose und eine lila Bluse und darüber eine etwas edlere Version einer Biker-Lederjacke, die ihr mindestens fünf Nummern zu groß war. Vielleicht hatte sie sie wegen der Kälte von jemandem ausgeliehen.
    »Ich weiß, was Sie denken«, sagte sie. »Was macht ein nettes indisches Mädchen wie ich in der Jazzszene?« Eigentlich hatte ich darüber nachgedacht, woher sie bloß diese Lederjacke hatte und ob sie aus religiösen Gründen überhaupt so was wie eine Lederjacke tragen sollte.
    »Meine Eltern waren unglaublich jazzbegeistert. Sie kamen aus Kalkutta, da gab es diesen berühmten Club namens Trinca’s in der Park Street. Ich war letzten September mal wieder dort, auf einer Hochzeit, wissen Sie. Erhat sich leider völlig verändert, aber früher war dort eine großartige Jazzszene, da haben sie sich kennengelernt. Meine Eltern, meine ich.«
    Den Aufschlag der Jacke zierten mehrere Anstecker, wie man sie mit einer Handpresse herstellen kann. Während Ms. Ghosh sich noch ein wenig über die innovative Jazzszene im Nachkriegsindien ausließ, sah ich mir die Dinger verstohlen an. ROCK AGAINST RACISM   – ANTI-NAZI LEAGUE   – DON’T BLAME ME I DIDN’T VOTE TORY   – Slogans aus den achtziger Jahren, größtenteils noch von vor meiner Geburt.
    Als Ms. Ghosh mir erzählte, wie Duke Ellington einmal im Winterpalast gespielt hatte (dem Hotel in Kalkutta, nicht dort, wo die russische Revolution ihren Anfang nahm), beschloss ich, das Gespräch wieder in die richtige Bahn zu lenken. Ich fragte, ob sie etwas von plötzlichen Todesfällen unter ihren Mitgliedern mitbekommen habe, insbesondere während und nach einem Auftritt.
    Ms. Ghosh bedachte mich mit einem langen, skeptischen Blick. »Ist das ein Scherz?«
    »Wir untersuchen verdächtige Todesfälle unter Musikern«, sagte ich. »Das ist noch keine offizielle Ermittlung. Es könnte den Anschein gehabt haben, als sei der Tod von Erschöpfung, Drogen- oder Alkoholkonsum verursacht worden. Haben Sie etwas Derartiges mitbekommen?«
    »Bei Jazzern? Ist das Ihr Ernst? Wenn die nicht mindestens ein Laster haben, nehmen wir sie gar nicht erst in die Gewerkschaft auf.« Sie lachte. Ich nicht. Sie bemerkte es und hörte auf. »Reden Sie etwa von Mord?«
    »Das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Wir unternehmen nur aufgrund erhaltener Informationen gewisse erste Schritte.«
    »Spontan fällt mir niemand ein«, sagte sie. »Aber ich kann morgen in meinen Akten nachschauen.«
    »Das wäre sehr hilfreich.« Ich gab ihr meine Karte. »Könnten Sie das morgen früh als Allererstes tun?«
    »Natürlich. Wissen Sie übrigens, dass diese Typen da Sie schon die ganze Zeit anstarren?«
    Ich drehte mich um und sah, dass meine Hilfstruppen aus der Old Compton Street uns vom Eingang des Bierzelts her beobachteten. Max winkte mir zu.
    James rief: »Vorsicht, Miss, mit dem sollten Sie

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