Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
Dieser Tatsache war es wohl zu verdanken, dass er nicht lange herumschlingerte. Ich drückte auf die Tube und hatte noch vor der Ecke mit dem Leicester Arms wieder fast neunzig Sachen drauf.
In diesem Augenblick erkannte ich, dass das, was ich für unser Blaulicht gehalten hatte, das irgendwo reflektiert wurde, tatsächlich das Licht eines Rettungswagens war, der uns entgegenkam, und gleich darauf konnten wir uns selbst überzeugen, wie gut die nachgerüsteten Vierradbremsen wirklich waren – die Antwort war: gerade ausreichend. Hätte der Wagen einen Airbag besessen, hätte ich ihn jetzt im Gesicht gehabt. Stattdessen bekam ich nur eine böse Quetschung vom Sicherheitsgurt, aber das bemerkte ich erst viel später, weil ich schon aus der Tür war unddie Sherwood Street hinaufrannte, ungefähr in demselben Tempo wie der Rettungswagen. Er hielt an. Ich nicht.
Auf der einen Seite der Sherwood Street gibt es einen Arkadengang, leider im unrühmlichen Keramikfliesen-Stil der fünfziger Jahre gehalten. Da er stark einer öffentlichen Bedürfnisanstalt ähnelt, wird er allnächtlich von angetrunkenen Mitbürgern in Not vielleicht nicht zu Unrecht als solche genutzt. Soweit die Mordkommission es später rekonstruieren konnte, hatte unsere ominöse Penisfeindin diesen Ort für ihren neuesten Coup nutzen wollen.
Ich fand Ash auf dem Boden liegen, inmitten einer Ansammlung besorgter Bürger. Zwei redeten beruhigend auf ihn ein, während er sich auf dem Bürgersteig wand. Überall war Blut – an ihm, an den besorgten Bürgern und an der fünfzig Zentimeter langen Eisenstange, die aus seiner Schulter ragte.
Ich schaffte mir etwas Platz, indem ich aus Leibeskräften »Polizei!« brüllte, und versuchte ihn in die stabile Seitenlage zu bringen.
»Ash. Ich hab doch gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten.«
Ash hörte kurz auf, um sich zu schlagen, und sah mich an. »Peter«, sagte er. »Das Miststück hat mich mit ’ner Geländerstange aufgespießt.«
Die Sanitäter des Londoner Rettungsdienstes neigen nicht zur Hysterie. Schließlich ist es ihr täglich Brot, die Opfer tödlicher Autounfälle, erfolgreicher und misslungener Selbstmordversuche und unglücklicher Zusammenstöße mit der Eisenbahn aufzusammeln. Die tägliche Routine aus Schmerz und Grauen scheint ruhige und pragmatische Persönlichkeiten hervorzubringen. Kurz, genau die Art Leute, mit denen man die Ambulanz, die einen nachts aufgabelt, gern besetzt sieht. Die Sanitäterin, die Ash in den Wagen schob, war eine Frau mittleren Alters mit praktischer Kurzhaarfrisur und neuseeländischem Akzent. Aber nach einigen Minuten Fahrt konnte ich sehen, wie sie zunehmend Mühe hatte, die Fassung zu wahren.
»Das Miststück«, schrie Ash. »So ein Aas, hat mich mit ’ner Geländerstange aufgespießt.«
Ungefähr sechzig Zentimeter solide gearbeitetes viktorianisches Schmiedeeisen, aus dem exakt rechtwinkligen Querschnitt zu schließen. Für mein ungeübtes Auge sah es aus, als ob das Ding genau in seinem Herzen steckte. Was Ash nicht daran hinderte, weiter um sich zu schlagen und zu schreien.
»Halten Sie ihn fest«, rief die Sanitäterin.
Ich bemühte mich, einen von Ashs Armen auf die Trage zu drücken. »Können Sie ihm nicht irgendwas geben?«
Die Sanitäterin warf mir einen wilden Blick zu. »Geben? Der müsste längst tot sein!«
Ash riss seinen Arm los und packte die Geländerstrebe. »Zieht das raus! Das ist kaltes Eisen, zieht es raus!«
»Können wir es rausziehen?«, fragte ich.
Das gab der Sanitäterin den Rest. »Sind Sie übergeschnappt?«
»Kaltes Eisen«, sagte er. »Bringt mich um.«
»Wir holen es im Krankenhaus raus«, versprach ich.
»Kein Krankenhaus«, keuchte er. »Ich brauch den Fluss.«
»Dr. Walid erwartet uns«, sagte ich.
Ash hörte auf, um sich zu schlagen, packte meine Hand und zog mich zu sich heran.
»Bitte, Peter. Den Fluss.«
Polidori zufolge hat kaltes Eisen
eine äußerst abträgliche Wirkung auf die Fae und ihre zahlreichen Verwandten
. Ich hatte angenommen, er hätte sich das nur ausgedacht oder wollte auf eine verdammt offenkundige Tatsache hinweisen – kaltes Eisen ist letztlich jedem abträglich, der es in die Eingeweide gerammt bekommt.
»Bitte«, sagte Ash.
»Ich zieh das jetzt aus ihm raus«, sagte ich.
Die Sanitäterin teilte mir mit, dass das ihrer Meinung nach keine erfolgversprechende Vorgehensweise sei und sie mich allein der Tatsache wegen, dass ich es in Betracht zog, für eine
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