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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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vielleicht mal ein Fahrzeug größeren Ausmaßes mit jemandem am Steuer, der nicht die hundertprozentige Kontrolle darüber hat, vorbeikommen könnte. Alles in allem belief sich der Schaden auf knapp zwanzigtausend Pfund, hauptsächlich Lackschäden, Seitenspiegel, Seitenbleche und zwei Rennräder, die von vornherein nicht auf einen Dachgepäckträger gehört hätten. Nicht eingerechnet der Schaden am Rettungsfahrzeug, ich bin sicher, der war rein kosmetisch.
    Der Wagen machte einen kleinen Hüpfer, als ich auf dasVictoria Embankment auffuhr. Ich kurbelte nach rechts und brachte ihn auf dem Pflaster vor dem Savoy Pier zum Stehen. Dann kletterte ich vom Fahrersitz und zwängte mich nach hinten, wo die Sanitäterin mich in sprachlosem Hass anstarrte.
    Ash atmete kaum noch, und der Verband über seiner Brust war völlig blutdurchtränkt. Als ich die Sanitäterin bat, mir die Tür zu öffnen, dachte ich zuerst, sie würde auf mich losgehen, aber dann löste sie die Verriegelungen und stieß die Türen auf. Sie weigerte sich, mir zu helfen, Ash herauszuholen, und ich hatte keine Zeit, herauszufinden, wie der Lift hinten im Wagen funktionierte, also legte ich ihn mir über die Schulter und wankte hinaus in den Nieselregen.
    Ich hatte den Savoy Pier aus zwei Gründen ausgewählt. Erstens wurde er nicht benutzt, daher würde ich über kein Boot klettern müssen, um zum Fluss zu gelangen, zweitens hatte er eine sanft geneigte Zugangsrampe, über die man wunderbar die Trage hätte rollen können, wenn ich es geschafft hätte, das verdammte Ding aus dem Wagen zu kriegen. Stattdessen musste ich erst einmal mit Ash über der Schulter die Rampe hinaufstapfen. Ash war ein großer, kräftiger Bursche, und ich hatte den Verdacht, dass ich ein paar Zoll kleiner sein würde, wenn ich endlich die Themse erreichte.
    Am oberen Ende der Rampe steht eine Art halboffene Telefonzelle, die dazu gedacht ist, Touristen, Betrunkene und versprengte Kriminelle daran zu hindern, auf den Pier hinauszulaufen. Ich hielt an, um Atem zu schöpfen, und hörte über dem Tatütata des Rettungswagens andere Sirenen näher kommen. Ich blickte das Embankment entlang.Aus beiden Richtungen näherten sich Blaulichter. Ein Blick über das Geländer zeigte mir, dass gerade Ebbe war und ein Sprung mich hier lediglich drei Meter tiefer auf Steine und Matsch befördern würde. Ich betrachtete die Telefonzelle genauer. Sie hatte tatsächlich das Metallschloss, an das ich mich dunkel erinnerte. Ich hatte etwas Subtileres vorgehabt, aber da mir die Zeit fehlte, ließ ich das Ding einfach aus den Angeln krachen.
    Während ich den Pier entlangrannte, hörte ich, wie hinter mir die Einsatzwagen mit kreischenden Bremsen zum Halten kamen, und dann das Gemisch aus Grunzen, Zurufen und Funksprüchen, das dir verkündet, dass der Arm des Gesetzes dich gleich am Wickel haben wird. Beim Endspurt bekam ich plötzlich einen harten Schlag gegen die Oberschenkel   – das Sicherheitsgeländer, wie ich zu spät merkte. Kopfüber segelte ich der Themse entgegen.
    Die Flussgöttin wird Ihnen stolz erzählen, dass die Themse offiziell der sauberste industriell genutzte Fluss Europas ist. Trotzdem ist sie nicht so sauber, dass Sie gerne daraus trinken möchten. Als ich wieder auftauchte und das Wasser ausspuckte, blieb in meinem Mund ein metallischer Geschmack zurück.
    Einen Meter neben mir schaukelte ein dunkles Etwas auf dem Wasser   – Ash, der auf dem Rücken dahintrieb.
    Bei meiner Polizeiarbeit trage ich Doc-Martens-Schuhe. Sie sehen gut aus, sind robust und außerdem   – ganz entscheidender Punkt   – hängt ihnen diese praktische Brutalo-Kick-Aura an, weshalb sie noch immer die bevorzugte Fußbekleidung jedes anständigen Skinheads und Fußball-Hooligans sind. Ihr Nachteil ist: Sie sind schwer und nicht ideal zum Wassertreten geeignet. Sobald ichmich ihrer entledigt hatte, kraulte ich platschend zu Ash hinüber. Er hatte irgendwie viel mehr Auftrieb als ich. Sein Atem wirkte kräftiger als noch gerade eben.
    »Ash. Geht’s dir besser?«
    »Viel besser«, sagte er träge. »Bisschen salzig, das Wasser, aber schön warm.«
    Ich fand es eiskalt. Hinten auf dem Pier standen meine Kollegen und ließen das Licht ihrer Taschenlampen über das Wasser schweifen, aber das war nicht schlimm, denn dank der Ebbe waren wir schon zweihundert Meter flussabwärts. Also, es war so lange nicht schlimm, bis wir in die Nordsee getrieben wurden, an Unterkühlung starben oder ertranken oder

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