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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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sagte Nightingale. »Sobald man in den Oberstufen-Gemeinschaftsraum eingeführt war, bekam man von den Oberprimanern den Zauber für die Pforte beigebracht, und der Weg in den Pub war frei. Außer man hieß Horace Greenway. Den konnten die Präfekten nicht leiden.«
    Der Gang teilte sich, und wir bogen rechts ab.
    »Was wurde aus ihm?«
    »Gefallen. In der Schlacht von Kreta.«
    »Ich meine, wie ist er in den Pub gekommen?«
    »Einer von uns hat ihm die Tür aufgehalten.«
    »Und haben die Lehrer es nie spitzgekriegt, dass Sie sich wegschlichen?«
    Wir erreichten den Fuß einer hölzernen Treppe. Sie knarrte beunruhigend unter unserem Gewicht.
    »Die Meister wussten es alle. Schließlich waren sie auch einmal Primaner gewesen.«
    Als wir an einem kurzen Flur mit hölzerner Wandverkleidung ankamen, durchzuckte mich eine vage Ahnung von
Vestigia
– Zitronenbonbons und Brausepulver, nasse Wolle und hastiges Fußgetrappel. Beidseits an den Wänden standen Bänke, genau so hoch, dass heranwachsende Jungen hier ihre Schuhe wechseln konnten, darüber hingen Kleiderhaken aus Messing. Ich fuhr mit den Fingerspitzen über das Holz und spürte stattdessen das raue Papier alter Comics.
    Nightingale sah mich innehalten. »Eine Menge Erinnerungen«, sagte er.
    Geister, dachte ich, Erinnerungen. Ich fragte mich, wo das eine aufhörte und das andere begann.
    Nightingale öffnete eine zerschrammte Tür, und wir betraten eine riesige Eingangshalle. Im Schein der plötzlich kümmerlich wirkenden Werlichter erkannte man eine massige zweiflügelige Treppe und hohe kahle Wände mit blassen Rechtecken, die verrieten, wo einst Gemälde gehangen hatten. Wegen der verrammelten Fenster wäre es ohne unser Licht stockfinster gewesen.
    »Die Vorhalle«, sagte Nightingale. »Zur Bibliothek geht es die sinistre Treppe hinauf.«
    Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig beherrschen, ihn zu fragen, warum in aller Welt die Treppe sinister sei, als ich erkannte, dass wir auf die linke Treppe zusteuerten. Links heißt auf Latein
sinister
– genau solche Dinge sind es, aus denen die beliebten Schulbubenwitze gemacht sind, die an sich schon ein schlagendes Argument für die Vorteile gemischtgeschlechtlicher Schulen sind. Allein sich vorzustellen, einer der Schüler hier hätte das Unglück gehabt, Dexter zu heißen, dachte ich. Während wir die Treppe hinaufstiegen, bemerkte ich, dass die Holzvertäfelung der Wand gegenüber voller eingravierter Namen war. Aber ehe ich fragen konnte, was es damit auf sich hatte, war Nightingale schon oben angelangt und strebte weiter in die kühlen Tiefen der Schule hinein.
    Die Flure waren überwiegend weiß verputzt, und es gab noch mehr rechteckige Flecke, wo Bilder gehangen hatten. Ich hatte meiner Mum oft genug beim Putzen von Büroräumen geholfen, um zu erkennen, dass die Person, von der Nightingale das Haus sauberhalten ließ, einen großen Industriestaubsauger benutzte   – die Teppiche hatten die typischen Streifen. Der angesammelte Staub deutete darauf hin, dass die letzte Reinigung mindestens zwei Wochen her war.
    Ohne Bücher und Möblierung sah die Bibliothek aus wie jeder andere große Raum. Im unsteten Schein unserer Werlichter wirkte er fast wie eine Höhle. An der Wand standen von Schonbezügen verhüllte Karteischränke, die genauso aussahen wie die beiden in der allgemeinen Bibliothek im Folly. Nightingale leuchtete mir, während ich den Bezug abnahm und die Schubladen öffnete. Hier gab es keinen Staub und erstaunlich wenig
Vestigia
.
    Als ich das erwähnte, meinte Nightingale: »Es waren nur Bücher über Magie, keine magischen Bücher.«
    Die Schubladen enthielten ganz gewöhnliche Karteikarten. Oben standen jeweils mit Schreibmaschine der Titel des Buches und die Signatur; darunter folgte eine handgeschriebene Liste der Ausleiher mit Datum. Wir hatten in Oxford noch eine Jumbopackung Gummibänder gekauft, damit die Karten beim Verpacken nicht durcheinander gerieten. Ich brauchte Ewigkeiten, um alle Schubladen zu leeren, und hatte am Ende einen schwarzen Müllsack, der nicht viel leichter zu schleppen war, als es der Schrank im Ganzen gewesen wäre. »Wir hätten einfach das ganze Ding mitnehmen sollen«, sagte ich, aber Nightingale wies mich darauf hin, dass der Schrank fest im Fußboden verschraubt war.
    Mit dem Sack über der Schulter folgte ich Nightingale leicht schwankend in die Vorhalle. Dabei ergriff ich die Gelegenheit, ihn zu fragen, was für Namen dort an der Wand standen.
    »Das«,

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