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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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(und diese spannende Perspektive erschien mir am wahrscheinlichsten) alles zusammen.
    Die Strömung sog uns unter die Waterloo Bridge.
    »Du hast mir gar nicht erzählt, dass sie eine Bleiche Lady ist.«
    »Bleiche Lady? Wer?«
    »Herrin des Todes.« Darauf folgte irgendwas in einer Sprache, die ein bisschen wie Walisisch klang, aber da irrte ich mich wahrscheinlich.
    »Hey«, sagte plötzlich eine Stimme ganz in der Nähe, »was macht ihr denn im Fluss?« Jung, weiblich, Mittelschicht, mit der korrekten Aussprache, die man sich aneignet, wenn die Eltern an Erziehung-sonst-setzt’s-was glauben. Das musste eins von Mama Themses Mädels sein.
    »Schwierige Frage«, antwortete ich und spuckte etwas Wasser aus. »Ich kam gerade aus Oxford, da rief Ash mich an, und ab da ging die Sache den Bach runter. Buchstäblich. Und was machst du im Fluss?«
    »Wir haben Dienst«, sagte eine zweite Stimme, währendwir alle auf der anderen Seite der Brücke wieder zum Vorschein kamen.
    Ash trieb fröhlich weiter, und ich fragte mich, ob ich der Einzige war, dem es schwerfiel, ein Gespräch zu führen und gleichzeitig Wasser zu treten. Etwas Warmes streifte mein Bein, und als ich mich umdrehte, sah ich gerade noch ein Mädchen ihren Kopf aus dem Wasser strecken. Im schwachen Licht vom Ufer her war sie nur undeutlich zu sehen, aber ich erkannte den katzenhaften Schwung ihrer Augenlider und das kräftige Kinn ihrer Mutter.
    »Was seid ihr? Rettungsschwimmer?«
    »Nicht ganz«, sagte sie. »Wenn du’s aus eigener Kraft aus dem Fluss herausschaffst, schön und gut. Wenn nicht, gehörst du Mama.«
    Das erste Mädchen tauchte wieder auf und erhob sich bis zur Taille aus dem Wasser, so gerade, als stünde sie auf einer Kiste. Sie trug einen schwarzen Taucheranzug mit dem Schriftzug ORCA auf der Brust. Ihr Gesicht war hell genug erleuchtet, dass ich sie als Olympia alias Counter’s Creek erkannte, eine der jüngeren Töchter von Mama Themse, und das bedeutete, dass die andere ihre Zwillingsschwester Chelsea sein musste.
    »Gefällt er dir?«, fragte Olympia. »Neopren. Das Beste, was man kriegen kann.«
    »Ich dachte, ihr steht auf FKK?« Als ich ihre ältere Schwester Beverley zuletzt im Wasser gesehen hatte, war sie nackt gewesen.
    »Hättest du wohl gern«, sagte Olympia.
    Jenseits von Ash tauchte Chelsea auf. »Dachte ich mir doch, dass es nach Blut riecht«, sagte sie. »Wie geht’s dir, Ash?«
    »Schon viel besser«, sagte er schläfrig.
    »Ich glaube, wir sollten ihn zu Mama bringen«, meinte sie.
    »Er hat gesagt, ich soll ihn zum Fluss bringen«, sagte ich. Meine Beine wurden jetzt wirklich ziemlich müde. Ich sah mich um. Das Ufer war viel weiter weg als vorhin   – ich wurde in die zentrale Strömung gezogen.
    »Was willst du, eine Medaille?«, fragte Chelsea.
    »Wie wär’s mit: Ihr bringt mich ans Ufer?«
    »So funktioniert das nicht«, sagte Olympia.
    »Aber keine Sorge«, fügte Chelsea hinzu. »Wenn du zum dritten Mal untergehst, sind wir da.«
    Und mit einem unaufdringlichen
plopp
verschwanden beide unter Wasser.
    Ich fluchte eine Weile vor mich hin und hätte das noch viel länger ausgedehnt, wenn ich nicht am Erfrieren gewesen wäre. Ich versuchte abzuschätzen, welches Ufer näher war. Das war schwierig, weil die Kombination aus Strömung und Ebbe mich auf die Blackfriars Bridge zuspülte   – jene Brücke, unter der Roberto Calvi, der Bankier Gottes persönlich, mit dem Kopf in der Schlinge gebaumelt hatte, was mir nicht wie das erbaulichste Omen vorkam. Ich zitterte heftig, und es fiel mir schwer, mich an das Wasser-Überlebenstraining zu erinnern, das ich in der Grundschule für das Schwimmabzeichen gelernt hatte. Meine Beine waren schwer, meine Arme taten weh, und so wie es aussah, war keines der beiden Ufer näher als das andere.
    In der Themse zu sterben ist erstaunlich einfach; jährlich schaffen das eine ganze Menge Leute. So langsam machte ich mir Sorgen, dass diese Zahl sich sehr bald um einen erhöhen könnte.
    Ich entschied mich für das Südufer, aus dem schlichten Grund, weil dort der Themseweg verlief und es daher wahrscheinlicher war, auf Mitbürger zu treffen, die mir Hilfe leisten konnten. Außerdem war der OxoTower ein guter Orientierungspunkt. Ich versuchte nicht, gegen die Strömung anzukämpfen, sondern verwandte all meine verbliebene Kraft darauf, näher ans Ufer zu kommen.
    Ich würde mich nicht als sonderlich guten Schwimmer bezeichnen, aber wenn die Alternative ist, in einer Statistik zu

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