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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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anatomisch unvollständige Person mit niedrigem Intelligenzquotienten und Hang zur Selbstbefriedigung halten müsse.
    Ich packte die Strebe mit beiden Händen. Sie war glitschig von Blut. Ash hielt die Luft an und machte sich ganz steif. Das Schlimmste war nicht das Geräusch, als ich sie herauszog; das wurde von Ashs Schreien übertönt. Nein, was ich niemals vergessen werde, war dieses Schaben, das ich fühlen konnte, als das raue Eisen am Knochen entlangschrammte.
    Dann bekam ich einen Schwall Blut ins Gesicht. Es roch nach Kupfer und seltsamerweise auch nach Ölfarbe und Ozon. Die Sanitäterin stieß mich beiseite, und ich fiel nach hinten, weil der Rettungswagen gerade um eine Ecke bog. Sie drückte Kompressen auf Ein- und Austrittswunde und klebte sie mit Wundpflaster fest. Noch ehe sie fertig war, hatten sich die Kompressen schon mit Blut vollgesogen. Sie fluchte ohne Pause vor sich hin.
    Ash schrie und zappelte nicht mehr. Sein Gesicht war bleich und schlaff. Ich stolperte vorwärts, bis ich meinen Kopf in die Fahrerkabine stecken konnte. Wir fuhren die Tottenham Court Road entlang   – zum Krankenhaus waren es keine fünf Minuten mehr.
    Der Fahrer war in meinem Alter, weiß, dürr, mit einem Totenkopfstecker im Ohr. Ich bat ihn, umzudrehen. Er bat mich, mich zu verpissen.
    »Wir können ihn nicht ins Krankenhaus bringen«, sagte ich. »Er ist vermint.«
    »Was?«, schrie der Fahrer.
    »Er hat vermutlich eine Bombe am Körper.«
    Er trat auf die Bremse, und ich wurde kopfüber in die Fahrerkabine geschleudert. Die Sanitäterin schrie laut. Als ich wieder aufsah, stand die Fahrertür offen, und der Fahrer hatte die Beine in die Hand genommen.
    Das war ein ziemlich gutes Beispiel dafür, warum man nicht einfach die erste Lüge benutzen sollte, die einem in den Sinn kommt. Ich kletterte auf seinen Sitz, knallte die Tür zu, legte den Gang ein und los ging’s.
    Die Flotte des Londoner Rettungsdienstes besteht aus Mercedes Sprintern, die im Großen und Ganzen normale Sprinter sind, nur mit ungefähr zwei Tonnen Zeug im Laderaum und einer extraweichen Federung, damit der Patient einem nicht jedes Mal wegstirbt, wenn man über eine Rüttelschwelle fährt.
    Der Wagen besaß auch eine Unmenge zusätzlicher LC D-Anzeigen , Knöpfe und Schalter, die ich im Interesse eines zielorientierten Vorgehens einfach ignorierte. Aus diesem Grund fuhren wir immer noch das volle Tatütata-Blaulicht-Programm, als wir an der Notaufnahme der Uniklinik vorbei und durch die Gower Street in Richtung Themse brausten. Wie die Aufzeichnung im Notrufcenter belegt, ging dort ungefähr zu dieser Zeit der Funkspruch der Sanitäterin ein, ihr Rettungswagen werde gerade von einem gefährlichen entsprungenen Irren entführt, der sich als Polizist ausgebe.
    Es geht nichts über das Erlebnis, am Steuer eines Rettungswagens mit Blaulicht-Lightshow und einer Sirene zu sitzen, die dafür ausgelegt ist, den Technogewummer-Kokon der heutigen Autofahrer zu durchbrechen, und die Fußgänger entsetzt nach beiden Seiten auf den rettenden Bürgersteig wegspringen zu sehen. Moses muss sich beim Teilen des Roten Meeres ähnlich gefühlt haben wie ich, als ich über die Kreuzung in die Endell Street raste. Ein flüchtiges Déjà-vu überkam mich, als ich an der Bow Street das noch immer eingerüstete Royal Opera House passierte.
    Wenn man von Covent Garden aus nach Süden will, verirrt man sich ziemlich leicht. Die Gegend ist ein Gewirr von Pollern und Absperrungen, damit die Straßen nicht zu Schleichwegen umfunktioniert werden, aber ich war zwei Jahre lang im Revier Charing Cross auf Streife gewesen, daher kannte ich die Problemzonen. Ich bog scharf rechts in die Exeter Street ab und dann scharf links in die Burleigh Street, was dazu führte, dass die Sanitäterin mich wieder wild anbrüllte. Was ich ein bisschen ungerecht fand, weil ich den Eindruck hatte, allmählich ein Gefühl für die nicht einfache Handhabung des Rettungswagens zu bekommen.
    »Wie geht’s ihm?«, schrie ich über die Schulter.
    »Ist am Verbluten!«, schrie sie zurück.
    Ich mengte mich kurz unter den Verkehr auf dem Strand und bog dann quer durch den Gegenverkehr in die Savoy Street ab, eine schmale Gasse, die gleich westlich der Waterloo Bridge schnurgerade ans Wasser hinunter führt. Im Zentrum von London sind Parkplätze schwer zu bekommen, und die Leute neigen dazu, ihre Autos in jede winzige Lücke am Straßenrand zu quetschen, ohne die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass

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