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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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enden, staunt man immer wieder, was man aus sich herausholen kann. Die Welt um mich schrumpfte auf wenige Faktoren zusammen: das kalte Gewicht meiner Kleider, den Schmerz in meinen Armen und das gelegentliche boshafte Klatschen einer eisigen Welle in mein Gesicht, wonach ich regelmäßig mit Keuchen und Ausspucken beschäftigt war.
    Mama Themse
, betete ich.
Du schuldest mir was, also bring mich an Land.
    Plötzlich spürte ich, dass meine Arme nicht mehr richtig arbeiteten und es immer schwerer wurde, den Kopf über Wasser zu halten.
    Mama Themse. Bitte.
    Irgendwann setzte die Flut ein, und ich bemerkte, dass ich stromaufwärts getrieben wurde. Dann packte mich ein zufälliger Strudel und schwemmte mich sanft auf den schlammigen Grund des Ufers. Ich robbte so weit auf den Strand hinauf, wie ich konnte, dann rollte ich mich auf den Rücken, blickte zu den Regenwolken auf, die düster das rötliche Licht der Natriumdampflampen reflektierten, und dachte, dass das hier auf der Liste der Dinge, die ich nie wieder machen wollte, ziemlich weit oben stand. Mirwar so kalt, dass meine Finger und Zehen gefühllos waren, aber ich zitterte, was ich als gutes Zeichen deutete, weil ich vage im Hinterkopf hatte, dass die Lage erst dann so richtig ernst wurde, wenn man aufhörte zu zittern. Deshalb beschloss ich, dass ich es wohl riskieren konnte, zu bleiben, wo ich war, erst mal wieder Atem zu schöpfen oder ein kurzes Schläfchen zu halten   – der Tag war verdammt lang gewesen.
    Sie mögen vielleicht etwas anderes gehört haben, aber tatsächlich ist es in London fast unmöglich, an einer öffentlich zugänglichen Stelle stöhnend auf dem Rücken zu liegen, ohne dass sich sofort eine Menge ambitionierter barmherziger Samariter um einen sammelt   – und das sogar bei Regen.
    »Alles okay, Kumpel?«
    Über mir beugten sich ein paar Leute übers Geländer. Ich betrachtete müßig ihre seltsam kopfüber hängenden Gesichter. Hilfsbereite Leute mit Handys, die hoffentlich die Polizei rufen würden, die mich wiederum freundlich fragen würde, ob ich ihr nicht bei den Ermittlungen wegen eines gewissen entführten Rettungswagens behilflich sein könne.
    Misch dich nicht in die Angelegenheiten von Zauberern ein, dachte ich. Denn sie sind klatschnass und schwer gestört.
    Ich zog kurz in Betracht, mein Heil in der Flucht zu suchen, aber die Sanitäterin und der Fahrer konnten mich beide identifizieren. Außerdem war ich zu kaputt, um mich zu rühren.
    »Halt durch, Kumpel«, sagte die Stimme von oben. »Die Polizei kommt sofort.«
    Die Polizei brauchte mindestens fünf Minuten, was gar kein so schlechter Schnitt war. Wie sich’s gehört, wurde ich in eine Decke gehüllt und auf den Rücksitz des Einsatzwagens verfrachtet, wo ich ihnen erzählte, ich sei beim Verfolgen eines Verdächtigen in den Fluss gefallen und auf der falschen Seite wieder herausgekommen. Als keiner mir die üblichen Fragen zu meinem imaginären Verdächtigen stellte, fand ich das seltsam, bis der Jaguar neben dem Einsatzwagen hielt und mir klar wurde, dass Nightingale schon alles geregelt hatte.
    Auf der Fahrt über die Waterloo Bridge fragte er mich, ob es Ash gut ginge.
    »Ich glaube schon. Chelsea und Olympia wirkten ziemlich gelassen.«
    Nightingale nickte. »Gute Arbeit.«
    »Ich kriege also keinen Ärger?«, fragte ich.
    »Doch. Aber nicht mit mir.«
    Trotzdem ließ er mich am nächsten Morgen früh aufstehen und doppelt so lange üben wie sonst, der Mistkerl.
     
    Nach dem Zaubertraining nahm ich den Stoß Papier aus Oxford mit in die Tech-Gruft, warf ihn auf die Chaiselongue und versuchte, so zu tun, als existiere er nicht. So viele Daten in den Computer einzugeben würde eine Riesenschinderei werden und sich am Ende vermutlich nicht einmal lohnen. Als ich sah, dass Lesley mir drei Mails geschickt hatte, alle angefüllt mit Klagen über die bodenlose Langeweile einer Kleinstadt an der Küste außerhalb der Saison, hatte ich eine richtig gute Idee. Ich mailte zurück und fragte, ob sie Lust auf ein bisschen eintönige Datenerfassung hätte. Sie sagte ja, worauf ich einen Kurierdienstanrief, damit der ihr den Stapel hinkarrte. Und weil man jemandem wie Lesley, egal wie langweilig ihr ist, nicht ohne Erklärung eine so nervtötende Arbeit aufs Auge drücken kann, beschrieb ich ihr kurz, wer Jason Dunlop war und dass wir nach möglichen Verbindungen zu Geoffrey Wheatcroft suchten.
    Verlorene Bücher über Magie
, schrieb sie zurück.
Du machst mich fertig.

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