Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)
Datenerfassung. Ach Gott, das Leben ist schon traurig.
Nur nicht hängenlassen
, schrieb ich zurück. Darauf kam keine Antwort.
Dr. Walid hatte mir ein paar Aufnahmen von etwas gemailt, das aussah wie dünne Scheiben Blumenkohl, aber im dazugehörigen Text stand klar und deutlich, dass es sich um Schnitte aus Michael »the Bone« Adjayis Gehirn handelte. In der Vergrößerung konnte man darauf die neurologischen Schäden entdecken, die typisch für hyperthaumaturgische Zersetzung waren – das, was dich umbringt, wenn du zu viel Magie wirkst. Oder, wie wir bei unserem letzten großen Fall gelernt hatten, was passiert, wenn ein mieses Schwein dich benutzt, um durch dich seine eigene Magie zu wirken. Eine polizeiliche Binsenweisheit besagt, dass Zeugen und Aussagen schön und gut sind, aber nichts über empirische Beweisführung geht. Also, eigentlich ist es keine richtige Binsenweisheit, weil die meisten Polizisten glauben, dass
empirisch
irgendwas mit Star Wars zu tun hat, aber es sollte eine sein. Um dieses Argument zu bekräftigen, hatte Dr. Walid zum Vergleich auch Gehirnscheiben von Cyrus Wilkinson mitgeschickt – der Schaden sah exakt genauso aus.
Was bewies, dass Mickey the Bone auf dieselbe Weiseumgebracht worden war wie Cyrus Wilkinson. Ich hätte nur zu gern gewusst, warum.
Ich schnürte die Listen für Lesley zu einem Päckchen zusammen und gab sie Molly mit der strikten Anweisung, den Kurier nicht zu beißen, wenn er es abholen kam.
In der Garage fand ich unter dem Scheibenwischer des Jaguar einen Zettel. Darauf stand in Nightingales überraschend uneleganter Handschrift:
Keine unbeaufsichtigte Benutzung des Jaguar, bis entsprechende Fahrqualifikation vorgelegt wird.
Also wusste er doch von den Fahrkursen.
Ich nahm den Ford – der hat auch einen niedrigeren Verbrauch.
Cheam heißt der Ort, wo man landet, wenn man so weit nach Südwesten fährt wie möglich, ohne das Londoner Stadtgebiet zu verlassen. Es ist eines der vielen eingemeindeten Dörfer, die kurz nacheinander einen Bahnhof, ein paar spätviktorianische Prunkvillen und schließlich in den 1930ern eine erstickende Kruste aus Pseudo-Tudor-Doppelhäusern erhielten. Um zu verhindern, dass dem Rest von Südostengland das Gleiche passiert wie Cheam, wurde der Grüngürtel um London geschaffen. Bilder von Cheam hängen als abschreckende Warnung in jedem Stadtplanungsbüro der südenglischen Grafschaften. Und zwar schon seit der Zeit, als es in Cheam noch keine Schwarzen gab.
Die Adjayis bewohnten eine große freistehende edwardianische Villa an einer Straße, die mit ähnlichen Häusern gesäumt war. Abgesehen von einem mehr symbolischen ovalen Beet mit Grünzeug drin war der Vorgarten komplettzubetoniert, um den aus zwei großen deutschen Autos bestehenden Fuhrpark besser vor dem Haus abstellen zu können. An dem Haus konnte man hervorragend die Familiengeschichte ablesen. Vater und Mutter waren Ende der Sechziger immigriert, hatten Arbeit gefunden, für die sie rettungslos überqualifiziert waren, sich ein heruntergekommenes Eigenheim in einer eher unattraktiven Gegend gekauft und lebten heute von den Früchten des Immobilienbooms. Der Vater trug Maßanzüge und war der unumstrittene Patriarch; die Mutter hatte das ganze Schlafzimmer voller Schuhe und besaß drei Handys. Und von den Kindern wurde erwartet, dass sie Ärzte, Rechtsanwälte oder Ingenieure – in dieser Reihenfolge – wurden.
Die Tür wurde von einer jungen Frau in meinem Alter geöffnet, wohl eine Schwester oder enge Verwandte des Toten. Sie hatte die gleiche ausgeprägte Stirn, hohen Wangenknochen und flache Nase wie Michael, nur war ihr Gesicht fülliger. Sie trug eine Lesebrille mit schwarzem Rahmen und lächelte mich an, aber das Lächeln schwand sofort, als ich ihr sagte, wer ich war. Als sie mich hereinbat, sah ich, dass mitten im Flur ein Staubsauger stand und die gerahmten Fotos im Eingangsbereich alle abgestaubt und blankpoliert waren. Es roch nach Schweiß und Möbelpolitur.
Ich fragte nach ihrem Namen.
»Martha.« Ich hatte mein Gesicht wohl nicht ganz unter Kontrolle, denn sie kicherte. »Ja, ich weiß. Kommen Sie mit in die Küche.« Die Küche war groß, mit einem sehr europäischen Eichentisch, aber einer absolut westafrikanischen Ansammlung von riesigen Töpfen, Schöpfkellen und Plastik-Waschschüsseln voller Maniokblätter und Stockfisch.
Wir setzten uns ans Kopfende des Tisches. Tee und Kekse lehnte ich dankend ab.
»Mum ist im
Weitere Kostenlose Bücher