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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Polizistenkneipe folgendermaßen ausgesehen: Linoleumboden, nikotinfleckige Holzpaneele an den Wänden und das Ganze mit Messingplunder dekoriert, der nur deshalb antik war, weil niemand sich die Mühe machen wollte, ihn gegen irgendwas anderes auszutauschen. Aber die Zeiten hatten sich geändert, und heutzutage bekam man in der netten Gaststube im Obergeschoss eine sehr ordentliche Cumberlandwurst in Zwiebelsoße mit dicken Kartoffelchips, wozu ein Scrumpy Jack Cider sehr gut passte   – genau das Richtige nach einem anstrengenden Morgenverhör. Stephanopoulos nahm die Lauchsuppe und einen Rucolasalat und dazu einen Single Malt. Ich bemerkte die Karaokeanlage in der Ecke und fragte, ob sie viel benutzt wurde.
    »Sie sollten mal zu einem Wettsingen kommen. Wenn die Sitte gegen Kunstraub und Antiquitäten antritt, geht’s immer heiß her   –
I Will Survive
darf nicht mehr gespielt werden, seit es deswegen mal eine Prügelei gab. Erzählen Sie mir von dieser anderen Ermittlung.«
    Also erzählte ich ihr von den toten Jazzern und meinen Bemühungen, das oder die Wesen zu finden, die sich möglicherweise von ihnen ernährten.
    »Jazzvampire«, seufzte Stephanopoulos.
    »Ich hätte nie anfangen sollen, sie so zu nennen«, murmelte ich.
    »Was glauben Sie, was der Magier mit ihnen vorhat?«
    »Weiß ich nicht. Wir müssen einfach noch mehr herausbekommen.«
    Auf dieses Stichwort hin näherte sich einer ihrer Untergebenen, ein leicht angesäuert wirkender DC, und überreichteseiner Chefin den Durchsuchungsbeschluss. Stephanopoulos wartete sorgsam ab, bis er weg war, bevor sie mich fragte, wie wir die Razzia am besten angehen sollten.
    Abgesehen von der Möglichkeit, zu klingeln und höflich zu fragen, ob man reinkommen darf, gibt es zwei Arten, einen Durchsuchungsbeschluss auszuführen. Einmal das klassische Hauruckverfahren: Man verschafft sich gewaltsam Eintritt, brüllt »Polizei« und »Keiner rührt sich« und tritt jeden zusammen, der sich nicht sofort mit über dem Kopf verschränkten Händen auf den Boden wirft, wenn man ihn dazu auffordert. Die zweite Methode hat keinen offiziellen Namen, aber sie besteht darin, dass Polizisten in Zivil unauffällig zur Tür geschlendert kommen, sie dezent eindrücken und nach drinnen strömen wie eine Horde extrem penetranter Staubsaugervertreter. Da wir nicht die geringste Ahnung hatten, was uns erwartete, schlug ich Letzteres vor.
    »Und halten Sie ein paar zusätzliche Leute draußen in Bereitschaft. Nur für den Fall.«
    »Sie haben leicht reden. Ist ja nicht Ihr Budget, von dem die Überstunden abgehen.« Sie kippte den Rest ihres Whiskys hinunter. »Wer geht zuerst rein?«
    »Ich.«
    »Nie im Leben.«
    Schlussendlich fanden wir einen Kompromiss: Wir würden beide gehen.
    In den fünfziger und sechziger Jahren waren die Immobilien in Soho spottbillig. Wer wollte schon mitten im verqualmten alten London wohnen? Die Mittelschicht floh in Scharen in die begrünten Vororte, und die Arbeiterklasse wurde in brandneue Schlafstädte in der Wildnisvon Essex und Hertfordshire verfrachtet, die nur deshalb New Towns genannt wurden, weil der Begriff
Bantustan
zu der Zeit noch nicht so bekannt war. Die Regency-Reihenhäuser, die das Gros der erhaltenen Bausubstanz in Soho ausmachten, wurden in Wohneinheiten und Läden unterteilt, die Keller zu Clubs und Bars ausgebaut. Als die Grundstückspreise wieder zu steigen begannen, schnappten sich Immobilienunternehmer die zerbombten Häuser und Trümmergrundstücke und errichteten darauf die formlosen Betonklötze, denen die Siebziger ihren Ruf als strahlende Ära der Weltarchitektur verdanken. Zur Enttäuschung der Verfechter des Futurismus war Soho jedoch nicht so leicht unterzukriegen. Dank oftmals verwirrender Eigentumsverhältnisse, der urwüchsigen Dickköpfigkeit der Einwohner und schlichter Korruption blieb die Sanierungstätigkeit eingedämmt, bis der absonderliche Drang, die historischen Zentren britischer Städte in eine Ansammlung gigantischer Klohäuschen zu verwandeln, wieder abgeebbt war. Aber Immobilienspekulanten sind eine gerissene Spezies, und einer ihrer bewährtesten Tricks   – falls man ihn sich leisten kann   – besteht darin, ein Gebäude so lange unbewohnt zu lassen, bis es derart verfällt, dass es abgerissen werden muss.
    Genau so sah unser Zielobjekt aus   – es lag zwischen einem Minisupermarkt und einem Sexshop und wirkte im Vergleich zu seinen Nachbarn heruntergekommen und vernachlässigt. Schmutzige

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