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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Psychopathen) immer besser ist, wenn die Bewohner Zeit haben, sich gut zu überlegen, ob sie irgendwelche Dummheiten begehen wollen. In diesem Fall aber verhielten wir uns alle geradezu unnatürlich leise, damit ich beim Weitergehen nach
Vestigia
fahnden konnte. Ich hatte versucht, Stephanopoulos das Konzept der
Vestigia
zu erklären. Ich bin nicht sicher, ob sie es ganz verstand, aber die Idee, mir den Vortritt zu überlassen, schien sie plötzlich sehr ansprechend zu finden. Ich ging weiter die Treppe hinunter.
    Zuerst sah ich nur den Unterbau des Glaskastens: Mahagoni und Messing, das im Strahl der Taschenlampe aufblitzte. Je tiefer ich hinunterstieg, desto mehr davon kam in Sicht. Das Licht der Taschenlampe spiegelte sich in dervorderen und der hinteren Scheibe der Glasverkleidung, und ich erkannte, dass es eine Art Wahrsageautomat war, der da mitten ins Foyer des Clubs platziert worden war. Ich ließ den Strahl durch den Raum dahinter gleiten und bekam flüchtige Eindrücke von einer Bar, Tischen mit darauf gestapelten Stühlen und dunklen Rechtecken von Türen, die weiter hineinführten.
    Mich überkamen
Vestigia
aus aufblitzendem Licht, Zigarettenrauch, Benzin und teurem Parfüm, neuen Ledersitzen und den Rolling Stones mit
I Can’t Get No Satisfaction
. Ich trat rasch ein paar Schritte zurück und nahm das Wahrsagekabinett in Augenschein.
    Es beherbergte keines der üblichen Wahrsagerpuppenmodelle mit Kopf und Schultern. Stattdessen ruhte der Kopf direkt auf einem runden Sockel aus mit Metallbändern verstärktem Glas. Aus dem abgeschnittenen Hals hingen zwei ledrige, blasenartige Säcke herab, die beklemmend an Lungen erinnerten. Den Kopf selbst zierte der obligatorische Turban, aber der Standard-Großwesirbart fehlte. Die Haut war wächsern, und das ganze Ding sah unbehaglich echt aus   – weil es das natürlich auch war.
    »Larry die Lerche, nehme ich an.«
    Stephanopoulos trat neben mich. »Oh Gott.« Dann kramte sie ein Fahndungsfoto aus der Tasche, vermutlich ein Relikt aus Larrys krimineller Karriere, und hielt es zum Vergleich hoch.
    »Lebendig sah er besser aus«, bemerkte ich.
    Ich spürte es schon, bevor es passierte; es ähnelte auf seltsame Weise dem Gefühl, wenn Nightingale mir eine
Forma
oder einen Zauberspruch vorführte   – als ob etwas weit hinten in meinem Bewusstsein einrastete. Aber miteinem entscheidenden Unterschied: dieses Gefühl hier rappelte und surrte wie ein Uhrwerk.
    Und schon setzte sich das echte Uhrwerk in Gang, und mit einem staubigen Zischen füllten sich die Säcke unter Larrys Hals mit Luft. Sein Mund öffnete sich, und eine Reihe erstaunlich weißer Zähne wurde sichtbar. Die Muskeln in seiner Kehle zuckten, dann begann er zu sprechen.
    »Hereinspaziert, nur hereinspaziert in den Garten der überirdischen Lüste. Müder Pilger, streife den Mantel puritanischer Zurückhaltung ab und entledige dich des Korsetts der bourgeoisen Moral. Und labe dich hier an all den unerhörten Genüssen, die das Leben zu bieten hat.«
    Der Mund blieb offen stehen, während die verborgene Maschine ratternd und surrend noch einmal die Säcke mit Luft füllte.
    »Um Christi willen, bitte tötet mich«, sagte Larry. »Bitte, tötet mich.«

 
    Stephanopoulos legte mir die Hand auf die Schulter und zog mich zurück zur Treppe. »Rufen Sie Ihren Boss an.«
    Larrys Säcke hatten sich zum dritten Mal gefüllt, aber wir fanden nie heraus, ob er weiter um den Tod flehen oder uns vielleicht die leckeren Snacks am Büffet anpreisen wollte   – kaum hatten wir uns zwei Schritte entfernt, da schloss sich sein Mund, und mit einem widerlichen Pfeifen entwich die Luft aus den Blasen.
    »Peter«, sagte Stephanopoulos. »Rufen Sie Ihren Boss an.«
    Ich versuchte es mit dem Airwave. Erstaunlicherweise hatte es Empfang, und ich rief im Folly an. Nightingale nahm ab. Ich beschrieb ihm die Lage.
    »Ich bin schon unterwegs«, sagte er. »Gehen Sie nicht weiter hinein   – und lassen Sie nichts heraus.«
    Ich sagte: »Verstehe« und legte auf.
    »Alles okay da unten, Chef?«, rief jemand von oben   – die Somali-Ninja mit dem Kopftuch.
    »Ich sehe mal nach, was die da oben treiben«, sagte Stephanopoulos. »Kommen Sie hier unten zurecht?«
    »Klar. Ich mach’s mir mit Larry gemütlich.«
    »Guter Junge.« Sie tätschelte mir die Schulter und verschwand nach oben.
    »Vielleicht könnten Sie für hier unten eine vernünftige Beleuchtung organisieren«, rief ich ihr nach.
    »Ich versuch’s.«
    Ich ließ

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