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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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beiläufig wie möglich zu klingen.
    »Danke, Kollege, fast wäre ich selbst darauf gekommen. Aber ich wollte keine Auskunft der Kategorie Binsenweisheit.« Sie stemmte ihre Fäuste in die Hüften. »Ich warte.«
    Immer noch wütend auf seine eigene Unachtsamkeit entgegnete Treidler: »Die Antwort der tadschikischen Botschaft.«
    »Ja und?«
    »Unser Mann heißt Johann Novak.«
    »Das wissen wir bereits.«
    Treidler verkniff sich einen Kommentar zum korrigierten W im Nachnamen. »Sie hatten recht. Novak kommt aus einer der ehemaligen Sowjetrepubliken. Jedoch ist er nicht dort geboren.«
    »Machen Sie es nicht so spannend, Treidler.«
    »Sein Geburtsort ist …«, begann er und kostete einen Augenblick seinen Wissensvorsprung aus, »… wie soll ich sagen … äußerst interessant.«
    »Ja …?«
    »Er ist in Florheim geboren.«
    Statt zumindest etwas verblüfft auf seine Aussage zu reagieren, überraschte ihn Melchior mit einer Feststellung, auf die er selbst schon längst hätte kommen können. »Ja dann, dann muss es auch einen deutschen Registereintrag zu dem Namen geben.«

ZWÖLF
    Treidler betrachtete Melchior verstohlen von der Seite, als sie sich auf die Tischplatte ihres Schreibtisches setzte und den Telefonhörer von der Gabel fischte. Nachdem sie gewählt hatte, bat sie Anita Schober, eine Verbindung mit dem Einwohnermeldeamt in Florheim herzustellen. Doch statt auf das Gespräch zu warten, zeigte sich ein enttäuschter Ausdruck auf ihrem Gesicht.
    »Im Sekretariat sagen sie, dass es in Florheim kein Einwohnermeldeamt gibt«, wandte sie sich an Treidler, nachdem sie aufgelegt hatte.
    »Na, wenn es die Schober sagt, dann wird es wohl so sein.«
    »Wieso lassen Sie nicht Ihre blöden Kommentare und sagen mir, wo die Geburtsregister aufbewahrt werden. Oder werden die hier auf dem Land irgendwann einfach weggeworfen?«
    »Rathaus.«
    »Und woher krieg ich die Nummer?«
    »Telefonbuch?« Ihre endlose Fragerei begann ihm schon wieder auf die Nerven zu gehen.
    Melchior marschierte um den Schreibtisch herum, startete ihren Computer und hob die Tastatur vom Boden auf. Wenig später nahm sie ihr Mobiltelefon zur Hand und wählte eine Nummer. Auch dieses Gespräch beendete sie viel zu schnell und mit dem gleichen ernüchterten Gesichtsausdruck.
    »Was ist?«, fragte Treidler. »Ist das Florheimer Rathaus schon in den Weihnachtsferien?«
    »Das nicht. Aber sie geben am Telefon keine Auskunft. Ich soll eine Anfrage per Fax schicken. Oder, falls es schnell gehen muss, persönlich und mit einem Ausweis vorbeikommen.«
    »Dann machen wir jetzt genau das.« Er stand von seinem Schreibtisch auf, während Melchior einfach sitzen blieb. »Was ist, Kollegin? Wollen Sie nicht mit?«
    Im Gegensatz zu den Tagen zuvor hatte es in der Nacht aufgehört zu schneien. Die Kreisstraße nach Florheim war inzwischen so weit geräumt, dass die morgendliche Sonne ausreichte, um die übrig gebliebene Schneedecke anzutauen. Bald würde das Weiß einem dunkelbraunen Matsch weichen. Im Moment jedoch konnte Treidler am Steuer die gleißende Helligkeit kaum ertragen. Melchior schützte ihre Augen hinter dosendeckelgroßen Brillengläsern, während er versuchte, mit zusammengekniffenen Lidern der Sonne zu trotzen.
    Florheim gehörte zu jenen Dörfern im Schwarzwald, die ihre bäuerliche Geschichte nie würden leugnen können. Es gab selten ein Haus, das nicht über ein Nebengebäude mit einem Scheunentor verfügte. Und dies nahm meist die Hälfte der Fassade ein. Doch auch hier lohnte sich der landwirtschaftliche Erwerb kaum noch, und so waren etliche der Scheunen und Ställe ungenutzt. Gleichwohl bewahrten die meisten Gebäude ihren Urzustand. Auf manchen Grundstücken schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Traktoren, Arbeitsgeräte und ausgetrocknete Misthaufen würden nur noch einen kleinen Impuls benötigen, um aufs Neue ihre einstige Aufgabe zu erfüllen.
    Die beiden Kommissare passierten das Bushaltehäuschen, in dem Novak am Montagmorgen aufgefunden worden war. Die Absperrung war schon lange wieder entfernt worden, und auf den ersten Blick erinnerte kaum etwas an die Mordtat. Nur wer genau hinsah, erkannte die Reste der roten Sprayfarbe auf dem dreckigen Schnee, mit der die Spurensicherung einzelne Bereiche markiert hatte. Obwohl die Temperatur unter dem Gefrierpunkt lag, wartete eine ältere, dunkel gekleidete Frau außerhalb des Wartehäuschens auf den Bus. Wie einen Schutzschild hielt sie ihren fast quadratischen Bastkorb vor sich hin

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