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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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schien Melchiors einziger Übersetzungsfehler gewesen zu sein. Die anderen Daten wie die Adresse in Duschanbe und der Geburtstag stimmten mit den Angaben aus dem sowjetischen Inlandspass überein. In diesem Fall brachte der Registerauszug aus Tadschikistan nichts, was sie nicht schon wussten.
    Als er die Tabelle ein zweites Mal überflog, stutzte Treidler. Erst hatte er Novaks Geburtsort, den Melchior im Pass nicht entziffern konnte, schlicht keine Bedeutung beigemessen. Aber jetzt sprang ihm das Wort förmlich entgegen. Und zuerst wollte er nicht glauben, was dort, in der vorletzten Tabellenzeile stand: »Place of Birth – Florheim, Germany«.
    Demnach war der Tote am 12. Dezember 1923 in Florheim geboren. In dem Ort, wo ihn jemand fast neunzig Jahre später durch einen aufgesetzten Kopfschuss ermordete. Eine Verwechslung war ausgeschlossen. Es gab nur ein Florheim in Deutschland, das hatten sie schon recherchiert.
    Mit der Theorie des Auftragsmordes jedoch lag Melchior ganz offensichtlich falsch. Der Geburtsort des Toten ließ den Fall schlagartig in einem völlig anderen Licht erscheinen. Er hielt nichts weniger in den Händen als das fehlende Puzzlestück, das den alten Mann endlich mit Florheim in Verbindung brachte. Und gleichzeitig schon fast den Beweis dafür, dass der Mord nichts mit der russischen Mafia zu tun haben konnte. Eine Wendung, mit der Treidler kaum noch gerechnet hatte.
    »Warum ist hier draußen Kaffee auf dem Boden?«, kündigte sich Melchior schon von Weitem an.
    Er blickte auf und blinzelte seine Kollegin an, die mit ihrer kurzen Lederjacke in der Tür stand. Trotz Wollmütze, Schal und Handschuhen zitterte sie am ganzen Körper. »Sie sollten sich eine Winterjacke kaufen, dann wäre Ihnen nicht so kalt.«
    »Was, in Gottes Namen, haben Sie mit Ihrem Gesicht gemacht?«, stieß Melchior aus.
    Wenn seine linke Wange nicht so geschmerzt hätte, hätte er in Anbetracht der schlagartigen Veränderung ihres Gesichtsausdruckes laut losgelacht. So jedoch begleitete seine Antwort lediglich ein gequältes Lächeln. »Sagen wir mal, es gab heute Morgen schon eine Meinungsverschiedenheit.«
    »Sie haben Meinungsverschiedenheiten?« Ihre Stimme hatte einen spöttischen Tonfall angenommen. »Das ist mir neu. Mit wem denn?«
    »Falls es Ihnen die Schober noch nicht erzählt hat, fragen Sie am besten Winkler.«
    »Wer ist Winkler?«
    »Ein kleines, dickes Arschloch, das mit einer blutenden Nase und einem riesigen Kaffeefleck auf dem Anzug herumläuft.«
    »Ach, den meinen Sie.«
    »Haben Sie ihn gesehen?«, fragte Treidler überrascht.
    »Das war nur ein Scherz.« Sie trat an seinen Schreibtisch und reckte den Kopf. »Was haben Sie denn da?«
    »Ein Fax.«
    »Nein, das meinte ich nicht. Die Fotos darunter … das sind doch Tatortfotos.«
    Erschrocken blickte Treidler auf die Tischplatte und bemerkte, dass drei der Ausdrucke unter dem Pappdeckel der Ermittlungsakte hervorragten. Unbewusst musste er die Mappe mit dem Ellenbogen verschoben haben. Auch der Kopf des Aussageprotokolls mit der Überschrift ragte hervor.
    »Das geht Sie gar nichts an«, beeilte er sich zu sagen und schaute Melchior vorwurfsvoll an. »Ich hab Ihnen schon ein paarmal gesagt, dass Sie sich um Ihren eigenen Scheiß kümmern sollen.«
    Statt einer Antwort hob Melchior missbilligend die Augenbrauen.
    Treidler schob die Unterlagen zusammen und verstaute die Mappe wieder in der Schreibtischschublade. Doch er wusste genau, dass es bereits zu spät war. Sie hatte den Namen Elisabeth Treidler schon gelesen.
    »Ist ja gut, Kollege. Ich wollte Ihnen keinesfalls zu nahe treten.«
    »Sind Sie aber.«
    »Mann, Treidler, ich habe mich dafür entschuldigt. Was soll ich sonst noch tun? Asche auf mein Haupt streuen?«
    »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Solange es Ihr Kram ist, hab ich keinesfalls was dagegen. Ich schnüffle Ihnen auch nicht hinterher.«
    »Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt. Ich habe Ihnen nicht hinterhergeschnüffelt.« Melchior drehte auf dem Absatz um und ging zu ihrem Platz. Sie zog die Lederjacke aus und schleuderte sie derart heftig auf die Tischplatte, dass die Computertastatur mit einem lauten Poltern herunterfiel und wie an einem Gummiseil weiter am Kabel baumelte. Anstatt sie aufzuheben, trat sie wieder vor Treidlers Schreibtisch. »Was haben Sie da?«, fragte sie und zeigte auf das Dokument mit dem Wappen und den kyrillischen Buchstaben.
    »Ein Fax. Hab ich doch schon gesagt«, gab er zurück und versuchte, so

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