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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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alten Mannes bebten. »Ihr wissed doch gar nix.«
    »Dann erzählen Sie es uns«, forderte Melchior.
    »Nein.«
    Treidler atmete aus. »Wo waren Sie in der Nacht von Sonntag auf Montag?«
    »Hier.«
    »Gibt es dafür Zeugen?«
    »Nein, Herr Kommissar.« Anton Novak zog eine abfällige Grimasse. »Mei Frau isch verreist.«
    »Was?« Treidler meinte, sich verhört zu haben. »Sie sind verheiratet?«
    »Nein.« Novak stieß ein verächtliches Grunzen aus. »Deshalb gibt’s au koine Zeuga.« Ein weiteres Mal verfinsterte sich sein Blick. »Ich han koi Frau – no nie g’habt. Au koi Familie. Als meine Eltern nimme wared, hod Zeit g’fehlt. Jetzt wohn ich hier allei mit meina beida Katza. Suscht no ebbes?«
    »Herr Novak.« Treidler blickte den Alten streng an und erklärte mit nachdrücklicher Stimme: »Bei mir verstärkt sich so langsam der Eindruck, dass Sie uns etwas verschweigen. Und ich habe da auch so eine Ahnung, warum.«
    »Pah – seit wenn hätt denn d’Rottweiler Polizei a Ahnung? Des wär vollkomma neu«, blaffte Novak zurück. Für einen winzigen Moment blickte er auf den Boden. Die Tür schlug schneller ins Schloss, als Treidler reagieren konnte.
    Melchior erschreckte sich durch den Knall derart, dass sie zusammenzuckte. »Was hat er gesagt? Ich habe von den letzten beiden Sätzen überhaupt nichts verstanden. Und außerdem – was für eine Ahnung haben Sie denn?«
    »Keine.« Treidler hob die Achseln. »Ich wollte den Alten bloß provozieren. Denn allein die Erkenntnis, dass Johann Novak noch gelebt hat, obwohl er für tot erklärt worden war, bringt uns kaum weiter.«
    »Hat wohl nicht geklappt.«
    »Wär ich nie draufgekommen.« Treidler drehte sich um und stapfte in Richtung des Mercedes davon.
    Melchior rief ihm nach: »Was ist, wenn er einfach nur die Wahrheit sagt?«
    »Man merkt, dass Sie nicht von hier sind«, gab Treidler zurück, ohne sich umzudrehen. »Niemand sagt in diesem Scheißkaff nur die Wahrheit.«
    »Dann suchen wir uns eben jemanden, der die Wahrheit kennt.«
    Treidler hatte das Gartentor erreicht. »Gute Idee, Frau Kollegin. Nur fällt mir derzeit niemand …« Mitten in der Bewegung hielt er inne. Natürlich gab es in Florheim genau so jemanden. Ob die Person immer die Wahrheit sprach, konnte er nicht mit Gewissheit sagen. Viel wichtiger war, dass sie die Wahrheit kannte.

VIERZEHN
    Sie weiß alles, was jemals bei uns vorgefallen ist , hallten die Worte des dicken Wirtes aus dem »Löwen« in Treidlers Kopf wider. Mit einem Mal war er sich sicher: Wenn jemand die Wahrheit kannte, dann diese Frau. Er machte Melchior ein Zeichen, ihm zu folgen.
    »Was haben Sie vor? Wohin fahren wir?«, erkundigte sich Melchior, nachdem sie ihn am Gartentor eingeholt hatte.
    »Sie wollten doch zu jemandem, der die Wahrheit kennt.«
    »Und wer soll das sein?«
    »Die alte Edda, ihres Zeichens die wandelnde Dorfchronik von Florheim, um die Worte des Löwenwirtes zu benutzen.«
    »Die schrullige Alte mit dem Sommerkleid?« Melchior hob zweifelnd die Augenbrauen. »Sind Sie sicher?«
    Er nickte. »Lassen Sie sich von der Schober die Adresse geben.«
    Melchior eilte ihm hinterher. »Und Sie?«
    Treidler öffnete die Fahrzeugtür seines Mercedes und antwortete mit einem breiten Grinsen: »Aufgabenteilung. Sie telefonieren und ich fahre. Einverstanden?«
    Während er einstieg, zog Melchior ihr Mobiltelefon aus der Tasche und wählte die Nummer der Zentrale. Aus dem Fahrzeug heraus konnte Treidler erkennen, dass das Gespräch zustande kam. Kaum eine Minute später nahm sie auf dem Beifahrersitz Platz und verkündete: »Bergstraße 58. Wissen Sie, wo das ist?«
    Statt einer Antwort drehte Treidler den Zündschlüssel um. Wider Erwarten sprang der Motor sofort an. Er wendete auf der schmalen Fahrbahn und steuerte den Mercedes Richtung Dorfmitte, um anschließend die Straße zum gegenüberliegenden Ortsausgang zu nehmen.
    Auf den Dächern der Bauernhäuser beiderseits der Bergstraße glänzte der Schnee wie Silber. Als sie die Hausnummer 50 erreichten, rückten die Häuser weiter auseinander und erlaubten einen Blick auf die verschneite Landschaft dahinter. Nadelwälder und Wiesen wechselten sich ab und wirkten in der Sonne wie die Kulisse für ein Wintermärchen. Sie passierten ein größeres Gehöft, dessen Gemäuer und Weiden unter den Schneemassen wie erstarrt lagen. Kein Mensch, kein Tier zeigte sich auf dem Anwesen.
    »Muss wohl ein Aussiedlerhof sein«, sagte Treidler, als sie das Ortsschild

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