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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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die Leichen neben dem Kopfschuss noch eine weitere Gemeinsamkeit aufwiesen: eine silberne Münze im Mund.«
    »Treffer.« Melchior schnalzte mit der Zunge. »Gab es danach Ermittlungen der Militärpolizei?«
    Treidler blätterte die Seiten nochmals durch. »Nein, die Leichen wurden noch am gleichen Tag den Familien übergeben.«
    »Ich notiere mir die Namen der beiden. Vielleicht lebt noch jemand aus den Familien.«
    »Das wird nicht nötig sein. Wir nehmen den ganzen Aktenordner mit, und zwar im Original.« Er rollte die Mappe zusammen und steckte sie in die Manteltasche. »Zwei tote Männer, etwa genauso alt wie Novak damals gewesen sein muss. Und er selbst verschwindet ungefähr zur gleichen Zeit. Das wäre schon ein, wie soll ich sagen … ein unverschämter Zufall.«
    »Und an solche Zufälle glaube ich nicht.«
    »Ich auch nicht. Aber wenn Sie etwas aufschreiben wollen, dann die Namen von Novaks Familienmitgliedern. Brüder, Schwestern und so weiter. Die finden wir über die Stammrollen der Eltern. Hier sind die Nummern.« Er reicht ihr den Zettel mit den Ranglistennummern, die er sich vorhin notiert hatte.
    Während Melchior die Stammrollen von Novaks Eltern ausfindig machte, warf Treidler erneut einen Blick in den Aktenhefter der französischen Militärpolizei. Doch bald musste er sich eingestehen, dass sein Schulfranzösisch nicht ausreichte, um alle Details zu erfassen. Er musste die Berichte übersetzen lassen.
    Als Melchior wieder auftauchte, wedelte sie mit einem Zettel. »Beide Eltern sind tot – schon seit 1946. Vermutlich ein Unfall, denn es ist das gleiche Todesdatum und Oppenau als Todesort eingetragen. Aber Johann Novak hatte einen Bruder, und wir haben Glück. Laut Stammrolle lebt er noch. Sein Name ist Anton Novak. Hier ist seine Adresse; er wohnt wohl nach wie vor in Florheim.«
    »Dann muss er es gewesen sein, der ihn damals für tot erklären ließ«, sagte Treidler.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wenn das Datum von Johann Novaks Todeserklärung nach dem Tod seiner Eltern liegt, bleibt dafür nur noch der Bruder übrig.«
    Melchior nickte. »Dann wird es höchste Zeit, dass wir dem alten Herrn einen Besuch abstatten: Köhlerweg 8.«
    Das bäuerliche Anwesen mit der Nummer 8 am steilen Köhlerweg unterschied sich kaum von den Nachbarhäusern. Es wirkte etwas größer als die anderen und bedurfte einer Renovierung. Stellenweise blätterte der Putz von den Wänden, und die ehemals dunklen Balken des Fachwerkes waren von Wind und Wetter ausgebleicht. Die Farbe der Fensterläden, Tore und Verkleidungen ließ sich nur erahnen. Auf dem Dach türmten sich die Schneemassen derart, dass die nächste Dachlawine nur eine Frage der Zeit war. Die Äste der Bäume im Vorgarten bogen sich unter der außergewöhnlichen Schneelast, die dieser Winter bisher zurückgelassen hatte.
    Treidler überlegte einen Moment, ob er wenden sollte, um den Mercedes den Berg hinunterrollen zu lassen, falls der nachher nicht anspringen wollte. Doch auf der anderen Straßenseite lag der Schnee halbhoch, und so fand sich keine Möglichkeit, das Auto abzustellen. Kurzerhand steuerte er mit den rechten Rädern in eine schmale Einbuchtung neben dem Vorgarten und stellte den Mercedes nach wenigen Metern ab. Das Heck ragte zwar in die Straße hinein, doch er war sich sicher, dass er den Mercedes notfalls auch im Rückwärtsgang zum Laufen bringen würde. Und falls alle Stricke rissen, war da immer noch Melchior, die das Fahrzeug anschieben konnte. Er hatte Mühe, ein Schmunzeln zu unterdrücken, als er sich Melchior vorstellte, wie sie mit ihren Halbschuhen den Mercedes aus dem Schnee schob.
    Der Köhlerweg verfügte weder über einen Gehsteig noch über ein Bankett. Direkt von der Straße führte ein schmaler, von kahlen Büschen und Gestrüpp gesäumter Weg zur Eingangstür. Früher einmal sollte das Gartentor vermutlich fremde Besucher vom Zutritt auf das Grundstück abhalten. Jetzt jedoch hingen die verwitterten Holzlatten schräg an den Angeln. Es sah aus, als ob das Gatter jahrelang nicht benutzt worden war. Auch für den Schnee dahinter fühlte sich offensichtlich niemand verantwortlich; der Höhe nach zu urteilen, schon seit Tagen nicht. Doch obwohl es auf den ersten Blick nicht den Anschein hatte, wohnte in dem Anwesen jemand. Durch die Seitenscheibe seines Mercedes konnte Treidler im knöcheltiefen Schnee Fußspuren ausmachen, die bis zur Tür und zurück führten.
    Als er aussteigen wollte, sah

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