Schwarzer Neckar
schlimmer als ein kleines Kind. Aber wir werden in meiner Gefriertruhe schon was Passendes finden.«
»Salami wäre okay«, fügte Treidler grinsend hinzu und startete den Wagen.
»Auch Salami.« Amstetter nickte ergeben. »Das ist der Grund, warum ich dich von Anfang an mochte.«
»Welcher? Weil ich keinen Fisch esse?«
»Nein, weil du sagst, was du denkst«, entgegnete Amstetter mit einer Miene, die Treidler selten zuvor an ihm gesehen hatte. Sein Blick wirkte ernst und konzentriert, so, als könne er nicht lächeln. »Alle anderen behalten ihre Meinung für sich und tun immer so, als würden sie dich mögen, auch wenn sie dich nicht ausstehen können. Aber du, du redest einfach drauflos, wie dir der Mund gewachsen ist. Ich würde einiges dafür geben, wenn ich so sein könnte wie du.«
Wahrscheinlich war Amstetter der Einzige, der so über ihn dachte. Trotzdem konnte Treidler ein Lächeln nicht unterdrücken. Er fädelte sich in den Verkehr ein und steuerte in die entgegengesetzte Richtung, stadtauswärts.
Amstetter dirigierte ihn in eine ruhige Nebenstraße, nicht weit entfernt von der Tankstelle. Auf der rechten Seite reihten sich dreistöckige Wohnblocks aus den sechziger Jahren aneinander. Mit ihren Flachdächern und der unansehnlichen Außenfassade glichen sie sich wie ein Ei dem anderen. An die linke Straßenseite grenzte der Parkplatz einer Behörde, die Treidler nicht kannte.
Er stellte den Wagen auf dem vollkommen leeren Parkplatz ab. »Melchiors Pension ist ganz in der Nähe von hier.« Die beiden stiegen aus. »Wir könnten sie einladen …«
»Das verstehe ich als Drohung«, sagte Amstetter und schloss die Eingangstür zum Wohnblock mit der Hausnummer 4 auf.
Treidler zählte sechs Briefkästen und entdeckte Amstetters Klingel in der mittleren Reihe auf dem Türschild daneben. Der Hausflur präsentierte sich nur wenig einladender als das Haus von außen. Schlichte Fliesen aus hellem, grobem Steinzeug führten zum Treppenaufgang. Lediglich zwei Blumentöpfe mit halb verdorrtem Grünzeug schmückten den Korridor. Direkt neben der Eingangstür befand sich eine übergroße Pinnwand mit zwei akkurat parallel aufgehängten Papieren. »Hausordnung Blatt eins« und »Hausordnung Blatt zwei«, las Treidler und musste unwillkürlich an seine Wohnung denken. Dort hing neben dem Eingang zusätzlich noch ein rotes Schild, das Ballspielen und Fahrradfahren im Treppenhaus verbot.
Amstetters Wohnung befand sich im zweiten Stock. Vom Flur gingen linker Hand zwei Türen ab. Beide standen offen, dahinter erkannte er Bad und Schlafzimmer. Der Gang endete in einem Raum von etwa acht mal vier Metern, den Amstetter offenbar gleichzeitig als Wohnzimmer und Werkstatt nutzte. Drei Computer surrten auf dem Boden und dem Esszimmertisch vor sich hin. Leere Gehäuse, Bauteile und Werkzeuge aller Art lagen zwischen Tastaturen und Bildschirmen umher. Auf der rechten Seite des Raumes schloss sich eine Kochnische an, deren altmodische Küchenzeile aus dunklem Holzimitat allenfalls drei Meter umfasste. Der Wohnbereich bestand aus einer Reihe Billy-Regalen, vollgestopft mit Büchern und einem Ehrenplatz für den riesigen Flachbildschirm sowie einer Sitzgarnitur mit hellblauem Stoffbezug.
Treidler betrachtete die Vielzahl von Kabeln, Steckern und anderen undefinierbaren Teilen, die aus dem Innern der Computer ragten.
Als Amstetter seinen kritischen Blick bemerkte, erklärte er schmunzelnd: »Das brauche ich alles. Oder hast du daheim etwa keinen Webserver mit Postfach, Firewall und IP -Weiterleitung sowie einen zusätzlichen Rechner für die Videobearbeitung?«
Treidler schüttelte den Kopf und bemühte sich, ernst dreinzuschauen. »Nein. Ich habe nur eine Musikanlage und ein Mobiltelefon.«
»Musik mach ich gleich – und die Pizza auch. Ich muss zuerst nach meiner Mutter schauen. Sie hat starkes Rheuma und kann sich nicht mehr so gut bewegen. Hol dir doch schon mal ein Bier aus dem Kühlschrank. Ich hab Weizenbier und Pils. Such dir was aus. Außerdem gibt’s dort auch Cola und Wasser.«
Treidler nickte und versuchte herauszufinden, hinter welcher Tür sich der Kühlschrank verbarg. »Ich wusste gar nicht, dass du bei deiner Mutter wohnst.«
»Tue ich auch nicht«, entgegnete Amstetter. Es hörte sich fast an, als ob ihn Treidler einer Straftat bezichtigt hätte. »Sie wohnt einen Stock unter mir.«
»Kann ich dir etwas helfen?« Treidler öffnete die Tür, die ihm am nächsten lag, und fand dahinter Regalbretter mit
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