Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
Vom Netzwerk:
nächsten Ampel, musste er von Neuem anhalten. Eine Handvoll Fußgänger wartete darauf, die Straße zu überqueren. Im Halbdunkel entdeckte Treidler unter den Wartenden Amstetter. Merkwürdig, dass er Ernie noch nicht in der Stadt getroffen hatte. Sonst wären sie vielleicht schon mal ein Bier trinken gegangen. Egal – genau das würde er jetzt nachholen.
    Treidler hupte und zog die Aufmerksamkeit der Fußgänger auf sich. Gleichzeitig drehten sich alle Wartenden zu ihm um. Amstetter erkannte ihn und kam zur Beifahrerseite. Er hatte sich dick eingepackt und den Kragen seines Mantels hochgeschlagen. Unter der dunklen Pudelmütze wirkte er viel bleicher als sonst. Seine geröteten Augen zeugten von einem langen Tag hinter einem seiner zahllosen Computermonitore.
    Treidler kurbelte die Scheibe auf der rechten Seite herunter. »Und Ernie, hast du heute Abend schon was vor?«, rief er gegen die Kälte und den Verkehrslärm an. »Wir könnten noch ein Feierabendbier trinken.« Die Aussicht, sich nicht allein betrinken zu müssen, begann ihm zu gefallen.
    Die Ampel schaltete auf Grün, und die ersten Hupsignale aus der Schlange hinter Treidler ertönten.
    Amstetter zögerte und schüttelte den Kopf. »Ich sollte nach meiner Mutter schauen.«
    »Komm schon, nur für ein oder zwei Bier. In einer halben Stunde bist du zu Hause. Ich muss nur noch kurz den Wagen tanken.«
    Das Hupkonzert der Fahrzeugschlange wurde lauter. Amstetter schaute sich um und nickte dann. »Gut – aber nur für eine halbe Stunde.« Er öffnete die Tür und schwang sich auf den Beifahrersitz.
    In der Zwischenzeit zeigte die Ampel wieder Rot. Treidler gab trotzdem Gas und überquerte die Kreuzung. Schließlich wusste jeder Polizist in Rottweil, wo Blitzanlagen den Verkehr überwachten. Und diese Stelle gehörte nicht dazu. Bevor er etwas sagen konnte, machte sich sein Mobiltelefon in der Mittelkonsole mit einem Summen bemerkbar. Treidler schaute kurz auf das Display und gleich wieder auf die Straße. Schon wieder Melchior. Sie gab wohl nie auf.
    »Warum gehst du nicht ran?«, fragte Amstetter, als das Gerät nach dem fünften oder sechsten Rufsignal immer noch keine Ruhe gab.
    »Weil ich nicht will. Ich schalte das Ding eh gleich aus.«
    »Dir ist doch sicherlich bewusst«, sagte Amstetter mit einem Schmunzeln, »dass Mobiltelefone genau dazu da sind.«
    »Genau zu was …?«
    »Um mobil erreichbar zu sein.« Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. »Und genau jetzt bist du mobil und erreichbar.«
    Schlagartig hörte das Summen auf. »Siehst du?«, sagte Treidler. »Man muss nur lange genug warten, dann lösen sich die meisten Probleme von selbst.«
    Es dauerte nur bis zum nächsten Ampelstopp, bis das Telefon erneut loslegte. Abermals ignorierte Treidler nach einem kurzen Blick das ankommende Gespräch.
    »Das nervt – nimm ab«, forderte Amstetter.
    »Wenn es dich stört, geh doch selbst ran.«
    Amstetter fischte das Telefon aus der Mittelkonsole und warf einen Blick aufs Display. »Bestimmt nicht.« Er hielt Treidler das Telefon unter die Nase. »Da ruft gerade die Stasi an. Jedenfalls steht es auf dem Display.«
    Jetzt konnte Treidler sich ein Lachen nicht verkneifen. »Das ist sie.«
    »Wer sie?«
    »Melchior.«
    Die Ampel sprang auf Grün. Diesmal musste Treidler den Fahrer vor sich mit einem Hupsignal auffordern, endlich loszufahren.
    »Sieht so aus, als ob du ein Kindermädchen an der Hacke hast«, meinte Amstetter.
    »Nicht mehr lange. Ich hoffe, dass sie sich nach Weihnachten Richtung Hamburg verpisst hat.«
    »Hamburg? Ich dachte, die ist aus Berlin?«
    »Das dachte ich auch. Aber in Wirklichkeit gehört sie dem Dezernat für Interne Ermittlungen in Hamburg an.«
    »Interne Ermittlungen?« Amstetter stieß einen leisen Pfiff aus. »Aber so etwas habe ich schon vermutet.«
    »Was hast du vermutet?«
    »Heute Morgen, da war sie ganz komisch. Sie hat mir eine Aufnahme von einem Ventilgeräusch überspielt und gesagt, es sei von dir und ich solle es mit dem Notruf von Lisa damals vergleichen.«
    »Ja, das stimmt.« Treidler nickte. »Darum hab ich sie gestern Abend gebeten.« Er dachte einen Moment daran, wie sie versucht hatten, das Geräusch zu überspielen und vor lauter Gekicher ein halbes Dutzend Mal von vorne anfangen mussten. »Hast du schon was rausbekommen?«
    Amstetter schüttelte den Kopf.
    Treidler konzentrierte sich wieder auf den Verkehr, der zusehends dichter wurde. Immer, wenn er für einen Augenblick dachte, freie Fahrt zu

Weitere Kostenlose Bücher