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Schwarzer Neckar

Schwarzer Neckar

Titel: Schwarzer Neckar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Scheurer
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Töpfen, Pfannen und Deckeln vor. Beim folgenden Schrank hatte er mehr Glück. Schon am Klang beim Öffnen hörte er die Bierflaschen, als sie aneinanderstießen.
    »Nein, geht schon, danke. Außerdem mag sie es nicht, wenn ich jemanden mitbringe. Und den Anblick eines sechzigjährigen, dicken Monsters im Nachthemd will ich dir ersparen«, gab Amstetter zurück.
    Treidler entnahm dem spärlich gefüllten Kühlfach eine Bierflasche. »Deine Mutter – heißt sie nicht Amstetter mit Nachnamen?«
    Amstetter drehte sich um. »Wie kommst du darauf?« Auf seiner Stirn stand eine tiefe, senkrechte Falte.
    »Na, unten an der Tür gibt es nur ein Schild mit dem Namen Amstetter.«
    »Ach so. Ja.« Seine Augen huschten ein paarmal hin und her. »Nach der Scheidung hat sie wieder ihren Mädchennamen angenommen.«
    »Holzmann, richtig?« Treidler presste den Bügelverschluss zurück, und die Bierflasche öffnete sich mit einem lauten »Plopp«. »Das steht unten auf dem Klingelschild.«
    »Wolfes, es wohnen sechs Parteien hier im Haus.«
    »Aber es gibt nur zwei Schildchen für den unteren Stock. Und bei dem anderen steht Familie Gerber.«
    »Du bist wohl immer im Dienst?«, fragte Amstetter und schaute kurz zur Tür.
    Treidler nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche und ließ für einen Augenblick den würzigen Geschmack des ungefilterten Biers auf sich wirken. »Das bringt der Beruf so mit sich. Manches fällt mir sofort ins Auge. Ich kann nichts dagegen tun.«
    »Das habe ich heute schon einmal gehört, als Melchior bei mir herumgeschnüffelt hat. Scheint wirklich eine Berufskrankheit bei euch zu sein.«
    Treidler grinste.
    »Ich bin in fünf Minuten wieder da. Du kannst dich ruhig bedienen, falls du noch ein Bier willst. Den Kühlschrank hast du ja inzwischen gefunden.« Damit wandte sich Amstetter zum Gehen, und wenig später hörte Treidler seine Schritte auf der Treppe nach unten eilen.
    Er nahm noch ein paar Schlucke aus der Flasche. Treidler hatte in seinem Leben schon Hunderte Wohnungen gesehen, und im Grunde waren sie alle gleich. Meist bestanden die Wohnzimmer aus einer Sitzgarnitur vor einem Wohnzimmerregal mit Fernseher und Videorekorder. Je nach Verdienst der Wohnungsinhaber unterschieden sich die Geräte nur hinsichtlich Größe und Marke. An den Wänden hingen Bilder passend zur Generation, und allerlei Schnickschnack, der sich im Laufe eines Lebens ansammelte, stand mehr oder weniger dekorativ herum. Oft verriet genau dieser Schnickschnack mehr über die Bewohner, als diese ahnten. Alter, Geschlecht, soziale Schicht – all das erzählte ihm eine Wohnung.
    Bei Amstetter jedoch gab es weder ein Bild an der Wand noch im Regal, und nirgendwo sah Treidler irgendwelchen Tand, der nur so herumstand und als Staubfänger diente. Selbst in seiner eigenen, überhastet eingerichteten Wohnung befand sich jetzt schon mehr davon. Es war schließlich das, was sein Leben ausmachte – sosehr die Erinnerungen beim Anblick mancher Dinge auch schmerzten.
    Er trat näher an das Bücherregal heran. Keine Musikkassetten, keine Schallplatten, sondern nur CD s, die meisten davon selbst gebrannt, stapelten sich in zwei Reihen auf einem Regalbrett. Amstetter hatte die silbernen Scheiben nur mit einem schwarzen Filzstift gekennzeichnet. Treidler blätterte die Hüllen durch und schätzte sich glücklich, wenn er das eine oder andere Wort entziffern konnte. Schließlich entschied er sich für eine CD , deren Aufschrift er als »Manfred Mann« identifizieren konnte.
    Nachdem die CD eingelegt und »Manfred Mann’s Earth Band« mit »Mighty Quinn« aus den viel zu kleinen Lautsprechern erklang, überflog er die Buchrücken. Die meisten Bücher handelten von Computerzeugs, das er vermutlich nicht einmal richtig aussprechen konnte. Weiter unten entdeckte er einige Taschenbücher und Comics. Ansonsten gab es noch ein Regalfach mit dicken Wälzern, die sich allesamt als der jeweils letzte Band verschiedener Nachschlagewerke herausstellten. Vielleicht gehörte Amstetter zu jenen skurrilen Sammlern, die nie in Bücher schauten, sondern sie nur im Regal stehen hatten.
    Treidler kippte den Rest des Bieres hinunter und holte sich eine neue Flasche aus dem Kühlschrank. Von der CD erklangen die klaren Töne von »Blinded By The Light«, und so langsam machte sich bei ihm der Hunger bemerkbar. Seine Armbanduhr zeigte kurz nach sieben. Amstetter befand sich schon bald eine halbe Stunde bei seiner Mutter.
    Sollte er nach ihm schauen? Oder sich besser

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