Schwarzer Nerz auf zarter Haut
sagte er heiser.
»Komm.« Sie ging wieder ins Badezimmer, um für ihn Kamm und einen Handspiegel zu holen. Er tappte ihr nach und stellte sich ihr in den Weg, als sie zurückkam.
»Hau mir eine runter«, sagte er dumpf. »Sybilla, rechts und links; ich habe es verdient.«
»Kämm dich, das ist wichtiger.« Sie gab ihm den Kamm.
»Wenn wir wohlbehalten in New York sind …«, sagte er stockend.
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Liebling. Von New York an werden wir uns nie mehr wiedersehen.«
In allen Sälen wurde getanzt.
Im riesigen Speisesaal auf dem Restaurant-Deck zog man eine lustige Varietéschau ab. Eine mitreisende Artistengruppe gab eine Sondervorstellung. Bei rotem Licht gab es sogar einen Striptease von ›Miß Beauty‹, natürlich gemäßigt, denn als die obere Hülle fiel, ging das Licht aus. Im Restaurant Bellevue zog eine Polonaise singender Passagiere in Schlangenlinie um die Tische. Die Deck- und Kabinenstewards begannen auf beiden Augen blind zu werden. Was sich an Pärchen auf dem Lido-Deck herumtrieb, zwischen den Rettungsbooten und im Schatten der großen Entlüfter, wurde einfach nicht bemerkt. Auch die Wanderungen zu den Kabinen nahm man nicht wahr. Zu einem Bordfest gehörte Liebe – wozu bleibt das Rauschen des Meeres denn ständig im Herzen, wozu brennt die Sonne denn auf die Haut, wozu wird man in seinem Bett hin- und hergewiegt?
Im Hamburg-Salon war die Stimmung überschäumend wie der Champagner, der in den geschliffenen Kristallgläsern perlte. Kapitän Selbach stellte sich als Medium zur Verfügung. Ein Hypnotiseur, der in der Kabine 38 wohnte und nach Amerika fuhr, um auf dem Broadway in einer Show aufzutreten, hatte gewettet, den Kapitän der ›Ozeanic‹ willenlos machen zu können. Graf Sepkinow hatte sofort dagegengehalten, daß dies unmöglich sei. Sam Hopkins schlug ein. »1.000 Dollar!« schrie er mit hochrotem Kopf. Wenn es ums Wetten ging, war er in seinem Element. »Unser Kapitän wird kopfstehen, wenn es Mr. Hypnose will! Ich kenne das! Habe es in Las Vegas erlebt. Da hat ein Girl unter Hypnose einen Affen geküßt …«
Lady Anne verzog die Lippen. Sir Surtess sah sie von der Seite an. Wie ein Essigschwamm, dachte er. Da lebt man nun fast vierzig Jahre neben einem Essigschwamm. Immerhin: Säure konserviert!
Kapitän Selbach ließ sich hypnotisieren. Der II. Offizier und der Chefingenieur lächelten still. Sie kannten ihren Alten. Wer einen so eigenen Willen wie Selbach hatte, dem konnte kein anderer einen fremden Willen aufzwingen.
Aber zunächst verlief alles höchst aufregend. Kapitän Selbach machte in Trance auf Kommando Freiübungen, tanzte einen Cha-cha-cha, sang ein Lied, bediente mit einem Tablett voll Wein seine an einem Tisch sitzenden Stewards und zog seine Galajacke aus. Aber als dann – für 50 Dollar Bestechung von Sam Hopkins – Mr. Hypnose befahl: »Und nun die Hose runter!« erwachte Kapitän Selbach plötzlich aus seiner ›Hypnose‹, ergriff den Artisten wie ein Paket, schob ihn unter seine rechte Achsel und trug ihn unter dem Jubel und dem Pfeifkonzert der Passagiere wie einen strampelnden Hund aus dem Saal.
»1.ooo Dollar!« sagte Graf Sepkinow lachend und hielt seine offene Hand hin. »Mr. Hopkins, an die Kasse.«
»Die Welt besteht aus Gaunern!« Hopkins zog sein Scheckbuch und füllte den Betrag aus. Sepkinow nahm den Scheck, las ihn und übergab ihn dann Kapitän Selbach, der gerade zurückkam, wieder elegant und korrekt in seiner Galauniform.
»Für das Seemannsheim!« sagte Sepkinow. »Die nächste Runde auf meine Kosten …«
Während in allen Sälen, auf den Decks und Promenaden Musik und Lachen erklang und die schwimmende Luxusstadt wie ein leuchtender Berg durch die Nacht und den kaum bewegten Ozean glitt, drückte ein Mann im eleganten Frack die Klinke von Kabine 136 herunter, horchte in die Dunkelheit, schlüpfte hinein und zog leise die Tür hinter sich zu.
Ein paar Sekunden blieb er im Dunkeln stehen und hörte auf das rasselnde Atmen, das von den Betten her kam. Dann blitzte der dünne, aber helle Strahl einer Taschenlampe auf und tastete sich an den Wänden entlang. Er huschte über das untere Bett, beschien blitzartig ein schlafendes Greisinnengesicht und glitt dann weiter.
Der Herr im Frack kam leise ins Zimmer. Er schlich zur Kommode, nahm die Taschenlampe in den Mund und zog mit behandschuhten Händen die Schubläden auf. Er schien die richtigen auf Anhieb gefunden zu haben, zarte Wäsche quoll ihm
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