Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Held zu sein, ist Blödsinn; es dankt Ihnen doch niemand, am allerwenigsten das sogenannte Vaterland. Man wird Ihnen einen Nachruf schreiben und Sie dann vergessen. Nicht einmal um Ihre Witwe wird sich jemand kümmern …«
Lisa! Dieser letzte Gedanke ernüchterte Hergarten völlig. Er beugte sich vor. Sybilla empfing ihn mit einem glücklichen Lächeln und wölbte sich ihm entgegen. Aber Hergarten nahm nur die beiseite geschobene Bettdecke und zog sie über Sybillas nackten Körper. Wie unter einem Schlag zuckte sie zusammen, ihre Augen verloren allen Glanz.
»Weißt du, was du da tust?« fragte sie kaum hörbar. »Weißt du, was du einer Frau damit antust?«
»Sybilla, versteh mich!« Hergarten stützte den Kopf in beide Hände. »Hier auf dem Schiff ist ein Mensch, der mich kaltlächelnd umbringen würde und es vielleicht auch tun wird, wenn wir nicht in jeder Minute wachsam sind.«
»Was du mit mir machst, kann eine Frau nie vergessen. Begreifst du das überhaupt?«
»Laß uns bis New York warten.«
»Warten!« Sie sprang auf, schleuderte mit den Füßen die Decke weg, warf sie in eine Ecke und stand vor ihm, von den Fußspitzen an bebend, ein sonnengebräunter, glatter, herrlicher Körper, von dem ein Hauch wie von Pfirsichblüten ausging. »Du sagst einer Frau, die bereit zur Liebe ist: Warten? Bist du überhaupt ein Mann?«
In maßloser Wut riß sie ihm die Hände vom Kopf weg und drückte mit beiden Händen sein Kinn nach oben. Mit Verblüffung spürte Hergarten, wie stark und hart dieser Griff war. Er mußte aufstehen, weil sein Nacken schmerzte, so unbarmherzig drückte sie seinen Kopf nach hinten.
»Sieh mich an!« sagte sie schwer atmend. »Mein Gott, sieh mich richtig an! Nimm deine Hände und fühle mich … So – so …« Sie riß seine schlaffen Arme hoch und legte seine Hände auf ihre Brüste. Es durchzuckte ihn, aber Sekunden später fiel die Leidenschaft wieder in sich zusammen. Sybilla beobachtete ihn scharf, als suche ihr Blick sein Herz. »Bin ich aus Holz?« fragte sie rauh. »Hast du kein Gefühl in den Fingerspitzen? Ist in deiner Brust ein Relais statt eines Herzens?« Sie legte ihre Arme um seinen Nacken, während seine Hände wie Fremdkörper auf ihren Brüsten liegenblieben, ohne Druck, leblos, nur ein Gewicht. »Wenn ich dich nicht so lieben würde«, sagte sie leise, »würde ich dich prügeln, kratzen, anspucken … du … du … Holzklotz …«
Hergarten senkte den Kopf und schloß die Augen. »Ich war nie ein Held, Sybilla. Die wenigsten Menschen sind es. Mich lähmt das Bewußtsein, daß ich am Rande eines Grabes stehe.«
»Nicht jetzt. Nicht diese Nacht.«
»Weißt du das so genau?«
»Ja.« Sie sah auf die goldene Handtasche, die auf dem Bett lag. Wer sich auskannte, konnte die Umrisse einer Pistole durch die schimmernden Metallpailletten sehen.
»Ich kann nicht …« Hergarten löste sich aus ihren Armen, ging zum Salon und warf sich in einen Sessel. »Du weißt nicht, was Todesangst ist, nicht wahr?«
»Nein.« Sie kam aus dem Schlafzimmer und setzte sich nackt vor ihm auf die Tischkante. »Ich kenne keine Angst. Was nun?« Sie beugte sich vor und strich Hergarten über das Haar. Es war schweißnaß. Da sprang sie auf, lief in das Badezimmer, holte ein Handtuch und frottierte ihm den Kopf. Dann rieb sie mit Kölnisch Wasser seinen Nacken ein. Er sah sie dankbar an und ergriff ihre Hände.
»Du bist so einmalig, und ich bin so ein armseliger Wicht.«
»Schon gut, Liebling.« Sie lächelte. Auch das war Tapferkeit: sie zwang sich selbst nieder und befahl ihrem Körper, ruhig zu sein. »Auch Vulkane hören einmal auf.«
»Ich liebe dich wirklich, Sybilla.«
»Ich weiß es.«
»Aber jetzt, in dieser Stunde …«
»Werden wir wieder nüchtern, Liebling.« Sie erhob sich von der Tischkante, ging zu ihrem auf dem Boden liegenden Kleid und stieg in den goldenen Panzer. Hergarten sah ihr zu. Als der Flimmerstoff wieder ihre Brust verdeckte, seufzte er. Ich werde sie nie wiedersehen, dachte er. Nie mehr. »Was nun?« Sie drehte sich um, sah seinen wehen Blick, seine innere Qual und schüttelte den Kopf. »Es ist schon vorbei, Liebling. Der Löffel bittere Medizin ist geschluckt. Ich schlage vor, wir gehen wieder hinauf zu den anderen und tun, als sei gar nichts passiert.« Sie sah auf die Uhr. »Zwei Uhr morgens. Wir können, wenn wir durchhalten, den Sonnenaufgang erleben. Es gibt nichts Schöneres, als wenn die Sonne aus dem Meer auftaucht.«
»Du bist schöner«,
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