Schwarzer Nerz auf zarter Haut
herumzugehen; sie überquerte, stolz wie eine Königin, das Parkett, vorbei an Juan Fernandez, dessen Schlagzeuger sie mit einem Trommelwirbel begleitete. Mit Herzklopfen sah ihr Hergarten entgegen. Als sie drei Schritte von ihm entfernt war, sprang Sybilla auf und vertrat Lisa den Weg. Der Zusammenprall von Gold und Silber war von einmaliger Schönheit.
»Dr. Dahl kommt gerade in den Saal zurück«, sagte Sybilla, als sie nahe voreinander standen. Ihre Stimme war völlig verändert. Es klang, als würden die Worte von einer Metallplatte abgehauen. »Sie sollten sich um ihn kümmern.«
»Es ist Damenwahl.« Lisas Augen waren dunkel vor Erregung. »Gehen Sie aus dem Weg.«
»Die Wahl ist bereits getroffen.« Sie drehte sich um, ging zum Tisch zurück und hakte sich bei Hergarten unter, der aufgesprungen war. Unschlüssig stand Lisa da. Sie spürte alle Blicke auf sich ruhen, das Knistern der Spannung war fast hörbar.
»Jetzt knallt es!« sagte Sam Hopkins genießerisch. »Wenn Frauen aufeinanderprallen, überbieten sie alles an Gemeinheit. Passen sie auf!«
Kapitän Selbach hatte keine Lust, es zum Skandal kommen zu lassen. Er winkte dem Orchester Juan Fernandez zu, der dumpfe Trommelwirbel verstummte, ein Walzer klang auf. Rosen aus dem Süden …
»Da bin ich wieder«, sagte Dr. Dahl hinter Lisa und legte ihr die Chinchillastola um die Schultern. Sie war etwas heruntergerutscht. Er überblickte nicht die Situation und spürte auch nicht den Sprengstoff, der wie ein leicht entzündbares Gas im Saal lag. »Wollen wir tanzen?«
An ihnen vorbei gingen Hergarten und Sybilla auf die runde Tanzfläche. Über zweihundert Augen verfolgten sie. Als sei es still abgesprochen worden, betrat niemand die Tanzfläche. Allein schwebten Sybilla und Hergarten nach den wiegenden Walzerklängen unter den mit Girlanden dekorierten Kronleuchtern. Ein Traum in Gold und Schwarz.
»Ja«, sagte Lisa knapp. Diese Niederlage war wie ein Fieber, das ihren ganzen Körper zum Glühen brachte. Sie legte die Arme um Dr. Dahl und machte mechanisch die Walzerschritte. Die Musik hörte sie wie ein fernes Brausen und Klingeln; sie sah über die Schulter Dahls hinweg nur das Gesicht ihres Mannes, wie er lächelnd und gelöst vom Glück an ihr vorbeiglitt.
»Da haben wir sie ja auf dem Präsentierteller«, sagte Sam Hopkins genußvoll. »Ich gehe jetzt rum und sammle Stimmen. Mr. Dubois, Sie besorgen einen großen Rosenstrauß. Warum sehen Sie so todernst aus, Kapitän?«
Kapitän Selbach musterte die beiden Paare, die sich auf der Tanzfläche im Walzertakt wiegten und drehten. Daß sein Schiffsarzt in den Kampf der Königinnen hineingezogen wurde, behagte ihm gar nicht. Die Offiziere eines Schiffes sollen höflich und hilfsbereit sein; von jeher sind sie für die weiblichen Passagiere eine Aufforderung zum Flirt bis zum Endhafen. Nichts reizt mehr als eine blaue Uniform mit goldenen Ärmelstreifen. Im Tagebuch einer Reise zu vermerken: »Der II. Offizier war ein toller Mann«, gehörte zu den großen Erlebnissen einer Fahrt. Das alles weiß man, aber es hat diskret zu geschehen, hinter der Hand gewissermaßen. Das Offizierkorps eines Schiffes hat trotz aller verborgenen Aktivität nach außen hin steril zu sein. Warum fiel Dr. Dahl so aus der Reihe? Kapitän Selbach nahm sich vor, am nächsten Morgen mit ihm zu sprechen.
Sam Hopkins war mit der Liste unterwegs von Tisch zu Tisch wie ein Bauchladenhändler. Auf der anderen Seite des Saales sammelte der deutsche Architekt Heinz Niehoff die Meinungen der Passagiere. Graf Sepkinow bewachte, eskortiert von einem seiner livrierten Lakaien, das gespendete Geld.
Dr. Dahl, der gerade an dem Kapitänstisch vorbeitanzte, nickte Sepkinow zu.
»Was habe ich Ihnen gesagt?« sagte er über Lisas Schulter hinweg. »Ins Bett mit Ihnen! Ihr Herz ist verteufelt schwach.«
Graf Sepkinow lächelte ihn breit an. »Sie tanzen gut, Doktor! Das gibt Punkte.«
»Wieso Punkte?« Dr. Dahl tanzte ein ›Fleckerl‹ vor dem Kapitänstisch, um in der Nähe des Russen zu bleiben.
»Es geht um den ersten Preis. Sie sind nahe daran«, sagte Sepkinow genüßlich. »Nur Ihre Dame wirkt etwas mürrisch.«
Der Walzer trug Dr. Dahl und Lisa zurück zur Saalmitte. Sybilla und Dr. Hergarten schwebten am Rand der Tanzfläche dahin.
»Was sagt er?« fragte Lisa. Dr. Dahl küßte ihr beim Tanzen die Hand.
»Man macht hier scheinbar ohne unser Wissen eine Mißwahl. Mr. Hopkins und Monsieur Dubois hausieren mit einer Liste. Eine
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