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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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zog es vor, die Kaltschnäuzige zu spielen. »Ich denke weder noch …«
    »Das verstehe ich nicht! Ich hatte den Eindruck, bei euch bahnte sich etwas Ernstes an.«
    »Dann hast du dich eben geirrt!« Ich hörte selbst, dass meine Stimme unnötig patzig klang, und schämte mich im selben Moment dafür. »Ich bin mit den Nerven ziemlich runter«, entschuldigte ich mich, während ich nach meinem Taschentuch suchte und mich energisch schnäuzte. »Es war ein einziger Alptraum: Jonathans Tod und Sophias Anfall und die grässlichen Reporter …«
    »Schon gut.« Monika tätschelte mir versöhnlich die Hand. »Tut mir leid, wenn ich dich genervt habe. Du bist sicher total erledigt.« Um mich abzulenken, begann sie von der Gärtnerei zu erzählen: welche Jungpflanzen gut gediehen waren, wo wir Ausfälle zu beklagen hatten, was sie an Änderungen plante und was Alfons davon hielt. Ich war ihr dankbar für die Ablenkung, die mich zwang, meine Gedanken aus dem endlosen Kreis der Grübeleien und Vermutungen wieder auf das Alltagsgeschehen zu richten, das mir mit seiner Normalität einen gewissen Trost spendete.
    Mitten in der Nacht kamen wir an, und ich sah mein Heim der letzten Monate plötzlich aus einer gewissen inneren Distanz. War es wirklich erst zwei Wochen her, dass ich von hier aufgebrochen war, ängstlich, aber entschlossen, mich zu behaupten? Der vertraute Geruch der Holzdielen fiel mir plötzlich auf. Früher hatte ich ihn nie bewusst wahrgenommen. Das Poster mit den Seerosen von Monet, das den Riss im Putz verdeckte, erinnerte mich an Marks spitze Bemerkung über meine spießigen Vorlieben, mit der er mich am Stand so geärgert hatte, und mein Hals zog sich schmerzhaft zusammen. Verdammt, würde ich von jetzt an immer das Bedürfnis verspüren, in Tränen auszubrechen, sobald ich daran vorbeiging?
    »Ich trage dir dein Gepäck noch schnell hoch«, bot Stevie an, »aber du solltest mit dem Auspacken bis morgen warten. Es ist verflixt spät!« Beide begleiteten mich bis an meine Zimmertür, und Monika umarmte mich, ehe sie flüsterte: »Morgen wirst du dich schon etwas besser fühlen – du wirst sehen!«
    Alfons hatte unsere Ankunft nicht abgewartet. Er gehörte zu den Menschen, die abends früh schlafen gingen und dafür morgens erstaunlich leistungsfähig waren. Aber er hatte mir einen Begrüßungsstrauß auf den Nachttisch gestellt und einen krakeligen Zettel daneben gelegt: »Herzlich willkommen daheim!« Gerührt betrachtete ich die Blumen: Bartnelken in allen Schattierungen, die ihren typischen, warmen Duft verströmten. Natürlich waren auch dunkle dabei, aber zu meiner Erleichterung keine in dem samtigen Purpurschwarz, das ich an Marks Züchtung so bewundert hatte.
    Die Stimme klang bekannt, wollte aber nicht zu den wirren Bildern passen, in denen ich Mark verzweifelt hinterherlief; er verschwand ständig zwischen den dicken Baumstämmen eines fremdartigen Waldes, der immer dichter wurde. Wenn ich rief, er solle auf mich warten, drehte er sich um, lächelte herzzerreißend traurig und schien gleichzeitig mit dem nächsten Baumstamm zu verschmelzen.
    »Wach lieber auf, Reni – das scheint kein angenehmer Traum zu sein!«
    Die Hand, die mich entschieden an der Schulter rüttelte, holte mich aus dem unruhigen Halbschlaf. Ich riss die Augen auf und schaute in zwei besorgte Gesichter. Monika beugte sich über mich, Alfons stand in der geöffneten Zimmertür, und seine wirr um den Kopf stehenden Haare und der erschütterte Gesichtsausdruck verdeutlichten, dass Monika ihm bereits von Jonathan erzählt hatte.
    Meine Wangen waren nass. Ich riss mich zusammen und lächelte ihnen beruhigend zu. »Ist schon okay. Ich habe nur schlecht geträumt.«
    »Das ist ja auch kein Wunder, bei dem, was du mitgemacht hast!«, brummte Alfons, und sein knorriges Gesicht verzog sich mitfühlend. »Wir warten unten auf dich.«
    Ich beeilte mich so gut wie möglich, und als ich in die Küche trat, bemühten sich drei Augenpaare, mich nicht zu auffällig zu mustern.
    »Möchtest du ein frisches Brötchen?«, fragte Monika mich betont munter. Alfons goss mir wortlos eine Tasse von dem Tee ein, den er immer für uns beide aufbrühte. Monika und Stevie tranken Kaffee.
    »Hier, probier einmal diese Kirschmarmelade. Die hat Mutti selbst gemacht.« Stevie schob mir eifrig ein großes Glas zu.
    Ich spürte, wie mir wieder die Tränen in die Augen stiegen, und sagte gepresst: »Danke, ihr seid sehr lieb, aber ich glaube, ich kann nichts

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