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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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einem erwachsenen Mann an sich. Ich hatte ihn nie richtig ernst genommen. Etwas von meinen Gedanken musste sich auf meinem Gesicht widerspiegeln, denn Monika setzte sich kerzengerade hin und sagte sehr ernst: »Viele Menschen nehmen Stevie nicht für voll. Sie halten ihn für gutmütig und ziemlich dämlich, aber ich liebe ihn. Er interessiert sich nicht für meine Vergangenheit, er liebt mich so, wie ich bin, und fragt nicht, wieso und warum. Und er würde nie grob zu mir oder einem anderen sein, der schwächer ist als er. Das ist so beruhigend.«
    Gerührt und eine Spur beschämt fragte ich, ob sie bereits einen Hochzeitstermin geplant hätte. Sie schüttelte den Kopf. »Ich wollte erst abwarten, wie es mit uns und Purple Passion weitergeht.«
    »Da kann ich dich beruhigen: Alle nötigen Verträge sind unterzeichnet.«
    Bei der Erinnerung an den aufgebrachten Mark, wie er mir damals im Büro gegenübergetreten war, musste ich unwillkürlich lächeln.
    Es war ein ziemlich wehmütiges Lächeln. »Du willst offensichtlich nicht darüber sprechen, und ich will dich auch nicht drängen, aber du kannst mir nicht weismachen, dass an dieser Sache nicht etwas faul ist.« Monika betrachtete mich ernst und ein wenig bekümmert. »Dafür kenne ich dich zu gut!«
    Am Abend zogen Alfons und ich uns ins Hinterzimmer zurück und banden einen wunderschönen Kranz für Jonathan. Ich hatte Alfons von dem Gewürzsträußchen erzählt, mit dem ich von Jonathan Abschied genommen hatte, und wir verbrachten die halbe Nacht damit, Unmengen von Lorbeer, Rosmarin, Ysop, Wacholderzweigen und anderen geeigneten Gewürzen zu einem ungewöhnlichen Kranz zusammenzufügen. Es roch wie in Jonathans Küche, und ich hoffte insgeheim, dass dieses unkonventionelle Gebinde keinen Anstoß erregte.
    Gleich am nächsten Morgen schickten wir ihn per Express an die Adresse von Adam Smith & Sons und legten unsere Briefe bei.
    Was folgte, war die längste Woche meines Lebens, auch wenn wir mit der Regelung meiner Teilhaberschaft, den ersten Bestelllisten, Stevies Begeisterung über seine Rolle als zukünftiger Vater und dem Tagesgeschäft dieser für Gärtnereien anstrengenden Jahreszeit mehr als ausgelastet waren. Trotz der ruhelosen Tage lag ich nachts stundenlang wach – und bemühte mich nach Kräften, das fröhliche Kichern aus Monikas Zimmer zu überhören.
    Von dem Wunsch getrieben, die seltsame Tragik der Beziehung meiner Eltern zu begreifen, den Elternteil kennen zu lernen, der mir angeblich so ähnlich gewesen war, las ich Vaters Briefe wieder und wieder, bis ich jedes winzige Detail über ihn auswendig wusste, das er mir je geschrieben hatte. Aber ich fand keinen Zugang zu ihm. Mir blieb unverständlich, wieso er sich so einfach hatte wegschicken lassen. Warum hatte er nicht gekämpft?
    Ich versuchte ihn mir vorzustellen: ein wunderschöner, empfindlicher Basilikumbusch. Basilikum verträgt weder anhaltende Nässe noch tiefere Temperaturen noch andere Unannehmlichkeiten. Das berauschende Aroma hat seinen Preis. Basilikum kann unter widrigen Bedingungen nicht gedeihen.
    Hätte Mutter ihm verziehen, wenn er ihr ebenbürtig an Härte und Zielstrebigkeit gewesen wäre? Wenn er nicht aufgegeben und abgewartet, sondern alles versucht hätte, sie zurückzuerobern? Müßige Überlegungen. Aber unmerklich hatte sich Mutters Bild in meinem Kopf verändert. Sie war nicht die Mistel gewesen, als die sie mir früher erschienen war. Im Gegenteil: Sie hatte ihr Bestes versucht, mir ein Klima zu schaffen, von dem sie glaubte, dass es mir förderlich wäre, mir optimale Entwicklungsmöglichkeiten böte. Nur ist wie bei wucherndem Efeu die Grenze zwischen »schützen« und »ersticken« manchmal nicht klar zu unterscheiden. Kein Müßiggang, keine Fantasien, dafür Gleichmäßigkeit und Beständigkeit. Vielleicht hatte die äußere Ähnlichkeit mit meinem Vater ihr das Gefühl gegeben, ich sei ganz nach ihm geraten und sie müsste ein Gegengewicht zu der angeborenen Weichheit setzen? Dabei hatte sie nur völlig außer Acht gelassen, dass ich auch von ihr einige Charakterzüge geerbt hatte.
    Einer davon, die Härte gegen sich selbst, zwang mich dazu, auch die unliebsamen Alternativen in Erwägung zu ziehen, um zu erklären, wieso Mark sich immer noch nicht gemeldet hatte. Ich sehnte mich so intensiv nach seiner Nähe, seiner Wärme, seinen Zärtlichkeiten, dass ich manchmal meinte, er müsse es doch über all die Kilometer hinweg spüren. Hatte ich allein das

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