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Schwarzer Purpur

Schwarzer Purpur

Titel: Schwarzer Purpur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wahl
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problemlos – deswegen sind sie billige Massenware.« Sein Tonfall verriet deutlich, dass er Tagetes nicht besonders hoch schätzte. »Und jetzt hier …« Er wies auf den Tisch mit den Löwenmäulchen, die wir gerade pikierten. »Hast du das Bild auf der Packung gesehen? Diese riesigen gefüllten Blüten, die an Azaleen erinnern? Wenn sie überhaupt Samen ausbilden, wirst du nicht eine einzige Pflanze daraus ziehen können, die genauso aussehen wird. Sie sind teuer, weil sie von zwei sehr unterschiedlichen Eltern abstammen, die von Natur aus eigentlich nicht zueinander passen.«
    Vermutlich schaute ich etwas verwirrt, denn Alfons erläuterte etwas ungeduldig ob meiner Begriffsstutzigkeit: »Diese Kombination von deinem südländischen Aussehen und dieser norddeutsch-preußischen Art ist auch etwas Besonderes. Du hast es nicht nötig, deine Haare wie ein Papagei zu färben, um aufzufallen. Erzähl mir nicht, dass du es nicht bemerkst, dass die Leute sich nach dir umdrehen!«
    Genau darauf hätte ich gut verzichten können! Die Bauarbeiter, die mir hinterherpfiffen, die Halbstarken, die mich mit den Augen auszogen, die alten Männer auf den Parkbänken, deren Blicke an mir klebten – inzwischen hatte ich mir antrainiert, sie alle nach Möglichkeit zu ignorieren. Aber als ich jünger gewesen war, hatte ich große Umwege in Kauf genommen, um nicht an größeren Baustellen oder anderen gefährlichen Punkten Vorbeigehen zu müssen.
    In nachdenklichem Schweigen arbeiteten wir ein paar Minuten weiter, dann brummte er: »Es ist einfach schade, dass ausgerechnet du auf Tagetes machst.«
    Am nächsten Tag überraschte Alfons mich mit dem Vorschlag – der eher einem Befehl ähnelte –, ihn auf den Frühlingsmarkt im Nachbarort zu begleiten. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust. Sicher wimmelte es dort an einem Sonntag vor Menschen. Man würde in der Menge herumgeschubst werden. Der Liegestuhl unter dem blühenden Kirschbaum erschien mir bedeutend verlockender.
    »Du kannst dich nicht immer hier verkriechen«, drängte Alfons. »Du musst endlich aufhören, dich dafür zu schämen, dass du schön bist. – Und zieh dir etwas Hübsches an, ich möchte mit dir angeben!«
    Lachend fügte ich mich in mein Schicksal. In einem Anflug von Übermut schlüpfte ich in die mohnroten Seidenhosen und den passenden Pullover mit dem gefährlich tiefen Ausschnitt. Das geschmeidige Material fühlte sich gut an. Überrascht stellte ich fest, dass ich mich so an Jeans gewöhnt hatte, dass ich ihre Festigkeit vermisste, diese Rüstung für den unteren Teil meines Körpers. Die Seidenhose fiel lose von meiner Taille abwärts, und ich vergewisserte mich ein paar Mal, dass sie auch wirklich alles bedeckte.
    Alfons nickte zufrieden, enthielt sich aber jedes weiteren Kommentars.
    Der Nachmittag verlief erstaunlich angenehm. An Alfons’ Seite fühlte ich mich sicher. Hier und da blieben wir stehen und wechselten ein paar Worte mit alten Bekannten von ihm. Der Markt an sich war nicht übermäßig interessant: ein wildes Gemisch von kleinen und größeren Ständen mit Angeboten wie balinesischen Holzschnitzereien, Haushaltswaren oder Duftölen, Socken, Hüten und Strickwesten bis hin zu den Frühjahrskollektionen sämtlicher Automarken.
    Die allgegenwärtigen Frühlingssymptome schienen eine freundliche Grundstimmung zu erzeugen. Das wohlwollende, aber mäßige Interesse, das mir entgegenschlug, enthielt keine Spur Ablehnung oder gar Aggressivität. Und so hatte ich keine Bedenken, Alfons bei der munteren Altherrengruppe im Bierzelt zu lassen und alleine weiterzuschlendern.
    Am Hutstand war mir vorhin ein besonders hübsch geflochtener Strohhut aufgefallen, den ich mir noch einmal ansehen wollte. Die Frühjahrssonne war jetzt bereits kräftiger, als man zu dieser Zeit des Jahres annehmen sollte; das hatte ich gestern gemerkt, als ich nach einem Nachmittag an den Mutterpflanzenbeeten ein unangenehmes Stechen hinter der Stirn verspürt hatte. Es war noch kein Sonnenstich, aber die Kopfschmerzen machten deutlich, dass die Kopfbedeckung bei Gärtnern nicht nur der dekorativen Erscheinung diente.
    Monika hatte mir großzügig angeboten, mich aus ihrer Kollektion von Baseballkappen zu bedienen, aber ich mochte sie nicht. Sie saßen mir zu eng. Der Hut, den ich jetzt probierte, passte wie angegossen. Ich drehte den Kopf nach links und nach rechts und war mit meiner Erscheinung in dem baumelnden Handspiegel zufrieden. Die schmale Krempe beschattete Stirn

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